Paul McCartney: Yesterday


Ein Beatle kehrt heim - erstmals seit 1963 spielte Paul McCartney live im Cavern Club.

Liverpool, 10 Mathew Street – geheiligtes Pflaster. 280 Mal spielten die Beatles hier. Vom 7. August 1957, damals noch als The Quarrymen, bis zum letzten Auftritt am 3. August 1963. Gründerzeiten, die man hier mit Hingabe lebendig hält: Fab Four-Klone spielen in Eckkneipen das alte Repertoire mit Höfner-Bass und Pilzkopffrisur. Souvenirläden bieten Beatles-Memorabilia feil. Und in die Ziegelwand gegenüber des Cavern Clubs sind sämtliche Bands eingraviert, die je auf der Bühne des berühmten Kellergewölbes standen. Krönung der Hleldenverehrung: Vor eben jener Wand steht der verblichene lohn als lebensgroße Rronzestatue.

Mathew Street ist Beatle Street. Und heute besonders: Seit dem frühen Vormittag drängen sich Hunderte Fans an den Absperrgittern vor dem Cavern. Manche von weit her angereist, manche sichtlich in die lahre gekommen, manche noch nicht mal auf der Welt, als der erste Beatle dieselbe schon verlassen hatte. Riesige Übertragungswagen der BBC verstopfen die Nebenstraßen, dicke Kabelstränge sind über das Pflaster verlegt, Bobbys patrouillieren, mobile phones bimmeln, Reporter befragen die Umstehenden. Spruchbänder verkünden es in fetten Untern, die örtliche Tagespresse ebenso: Paul kehrt heim! Man fühlt sich versetzt in die Tage der ßealtemania – so ähnlich muss es gewesen sein. Zwar lallt keiner um, aber sobald sich am Eingang irgendetwas tut, brandet begeistertes Kreischen durch die enge Straße. AJs Neil Aspinall, einst Roadie der Beatles, aus der Tür tritt, muss er gar Autogramme geben.

Und dann kommt F.R. Sir Paul. Schwarzes Sakko, lachend, herzlich in die Menge winkend. Heute abend will der 57-lährige hier, auf der Cavern-Bühne, zum ersten Mal seit damals konzertieren. Gerade 300 Auserwählte dürfen Zeuge des historischen Ereignisses sein – mehr fasst die winzige Kellerkneipe nicht. Der Rest wird im nahe gelegenen Park das Schauspiel auf einer Leinwand verfolgen. McCartney will das Material seines nostalgischen Albums „Run Devil Run“ spielen. Wie er selbst sagt: „Der Rock’n’Roll hat mich Zeit meines Lebens inspiriert und begeistert. Ihn hierzu spielen, ist eine angemessene Art, das alte Jahrhundert abzuschließen.“ In der Tat, authentischer lässl sich das originale Rock’n’Roll-Gefühl wohl nicht mehr erleben. Aber: Auch wenn Akteur und Ort dieselben sind – seit damals ist eine Menge Wasser den Mersey hinabgeflossen. McCartney ist natürlich längst nicht mehr der halbstarke Flegel von einst. Er hat keine saufselige Nostalgie-Party im Sinn, er ist hier, um saubere Arbeit abzuliefern. Spätestens wird das klar, als er mit den Gitarristen Dave Gilmour und Mick Green, Pete Wingfield am Piano und Ian Paice hinterm Schlagzeug loslegt. Mit sichtlichem Spaß und routiniert spult Macca sein Programm ab, hier und da mit Anekdoten aus den glory days garniert. Und Humor hat er immer noch. Als ein Zwischenrufer „Satisfaction“ fordert, kontert der Beatle: „Aha, auch ein paar Spaßvögel hier? Ihr könnt ja meine Lippen lesen.“ Sagt’s und formt unter dem Gelächter der Anwesenden ein unhörbares „Fuck you“. Ähnliches dürfte er auch über den Kollegen Gilmour gedacht haben, als der je ein Song-Intro und einen Schluss versemmelt. Sir Paul lässt die Passagen wiederholen. Mit guter Miene zum schlechten Spiel aber: In Sachen Qualität versteht der Meister keinen Spaß. Schon gar nicht, wenn der Gig aufgezeichnet wird. Nach exakt 47 Minuten ist der Spuk vorbei. Höhepunkt: „I Saw Her Standing There“, einziger Beatles-Song. Zum Abschied ein heftiges „Let’s Have A Party“ – die allerdings findet dann doch nicht so recht statt. Noch ein Pim im Cavern. Raus in die kalte Liverpooler Nacht. Wir schreiben Dezember 1999. Immer noch.

Die Bühne übrigens war nicht dieselbe wie früher. Das Konzert fand in einem neu erbauten Nebenraum des Cavern, dem „Cloakroom“, statt – dort ist etwas mehr Platz. Die winzige echte Bühne indes hatte man des authentischen Lindrucks wegen mit einem Schlagzeug und ein paar Pender-Verstärkem dekoriert. Neueren Datums.