Pop Art


Die Pop-Kolumne von Dirk Peitz

20. Januar 2011, iTunes-Charts: Lena, „Taken By A Stranger“

Lena Meyer-Landrut wird den Eurovision Song Contest nicht noch mal gewinnen. Nicht mit diesem Lied. Sie hätte aber auch nicht mit irgendeinem anderen gewonnen, es ist egal, Stefan Raab hätte ihr einen Welthit schreiben können (lassen): Sie wird nicht gewinnen am 14. Mai. Weil sie es schon beim ersten Mal wider alle Wahrscheinlichkeit getan hat, sie hat einfach alle Arithmetik weggefegt, welches Land welchem Punkte gibt und welches welchem nicht – mit einem einzigen Auftritt. Die europäischen Fernsehzuschauer haben sich für einen Moment in sie verguckt, so wie es vorher schon die deutschen getan hatten. Dann war der Moment vorbei, und nichts hätte ihn andauern lassen können. Lena Meyer-Landrut kann nichts dafür, sie ist nicht schuld, niemand ist schuld, so ist das nun einmal: Die Freude über die Unschuld löst sich zwangsläufig in sich selbst auf durch ihren Verlust, Unschuld ist nicht konservierbar und nicht rückholbar.

Doch man muss das gar nicht als Verlustgeschichte erzählen. Vielmehr sollten wir Lena Meyer-Landrut dankbar sein. Sie hätte uns mit erheblich mehr nerven können als mit ein bisschen Gurren und Mädchengeplapper, mit der Archiventhüllung eines kurzen RTL-Brustblitzers und ein paar langatmigen Sendungen „Unser Song für Deutschland“. Sie hätte all die Dinge öffentlich machen können, die man als bekannte Person mitunter öffentlich macht, sich verlieben, sich trennen, sich beim Sex filmen lassen, so Zeugs, und sie hätte über all das auch noch reden können, öffentlich. Hat sie aber nicht. Danke dafür.

Nun singt sie halt noch einmal. „Taken By A Stranger“ heißt das Lied und macht viel Plopp und sonst eigentlich nichts, es tut nicht weh, auch da hätte es schlimmer kommen können, für sie, für uns. Und wenn Lena Meyer-Landrut klug ist und gut beraten, dann fährt sie nach dem 14. Mai erst einmal lang in den Urlaub und fängt danach etwas zu studieren an, so wie jede andere 19-Jährige das auch täte, und irgendwann, später, wird sich niemand mehr an sie erinnern, bestenfalls, außer gelegentlich einem Redakteur, der „Was macht eigentlich … ?“-Seiten zu füllen hat, doch Lena Meyer-Landrut wird da nicht mitmachen, bestenfalls, und sich stattdessen verlieben und trennen und wieder verlieben und wieder trennen und zwischendrin ein bisschen glücklich sein und traurig, aber alles: nicht öffentlich. So wie man das halt macht.