Primal Scream: Die Lebensretter des Pop


Schotten haben ein Recht darauf, den Blues zu singen. Das behauptet zumindest Bobby Gillespie, Mastermind der Glasgower Band Primal Scream. „Denk doch mal nach — all die großen Männer des Blues und frühen Rock halten schottische Namen. Muddy Waters hieß eigentlich McKinley Morganfield, Howlin Wolf war mal ehester Burnett, Bo Diddleys richtiger Name ist Ellis McDaniel, und es gibt noch unzählige andere …“ Keine direkt uninteressante Theorie. Blues- und Rock-Spuren finden sich – neben Gospel, Reggae, Hip Hop, Curtis-Mayfield-Soul und Hi-Tech-Klängen, javanesischer Musik und Reden von Jesse Jackson — auch auf der Primal Scream-LP SCREAMEDELICA, einem Album, das zuweilen klingt, als wäre die gesamte Plattensammlung eines Hipsters explodiert.

„Vielseitigkeit ist das künstlerische Prinzip von Primal Scream, aus voller Überzeugung“, sagt Gillespie, ein knochiger Lausbuben-Typ mit einer zeitlosen Struwwelfrisur ganz im Stil der frühen Byrds. „Sie ist für mich kein Zeichen von Orientientngslosigkeit und mangelnder Entscheidungskraft, sondern eine wahre und unverzichtbare Stärke. Weißer Pop liegt heute in den letzten Zügen seiner Existenz, einfach weil er keine Leitbilder mehr hat, nicht mehr über die eigenen Grenzen hinausgehen kann. Für mich dagegen ist das selbstverständlich geworden. Die Musik der Stones hat mich zum Country-Blues von Son House und

Roben Johnson geführt. Die Schrägheit der Slooges und Velvets waren meine Vorbereitung auf die Dissonanz von Ornette Coleman und dem späten John Coltrane. Bob Marleys Hits haben mich mit dem härteren Reggae von Leuten wie Prince Far-I bekanntgemacht. Wir lassen uns von den unterschiedlichsten Dingen inspirieren. Es gibt auf dieser Weh soviel wirklich fantastische Musik zu entdecken — warum sollte man sich da ausgerechnet die Pixies anhören?“

Gute Frage. Dem Pop wären mehr Wortführer mit der Eloquenz und Leidenschaft eines Bobby Gillespie zu wünschen, der seinen Job als Drummer bei The Jesus And Mary Chain 1985 zugunsten der eklektischeren Primal Scream an den Nagel hängte. Seither teilt er sich dort die Gesangspflichten mit der schwarzen Sängerin Denise Johnson, und ist sich seiner neuen Sache verdammt sicher. „Du mußt uns live sehen, Mann“, schwärmt Gillespie unverhohlen. „Wir lassen die Gitarren krachen, verstärken die Tanz-Beats und reichern das Ganze mit Bläsern und Congas aus dem Computer an. Und jede Nacht kommt etwas anderes Wunderbares dabei heraus. Wir improvisieren.“ Kurze Pause. „Naja, vielleicht nicht so wie Miles Davis.“ Er grinst. „Noch nicht.“