Radiohead


Auf der Insel regt sich wieder was. Fünf Briten hämmern deftigen Rock in die Ohren ihrer Hörner - bis zum Nervenzusammenbruch

Radiohead müssen groß werden. Sehr groß sogar, wenn es nach ihrer Plattenfirma geht. Um auch den letzten Zweifler von der Großartigkeit der Band und ihrer neuen Platte The Bends‘ zu überzeugen, flog man kurzerhand 78 Journalisten aus aller Welt nach Oxford, der Heimatstadt der Band. Die versammelte Medienschar sollte sich bitteschön selbst ein Bild von den Live-Qualitäten des Quintetts machen und anschließend bei Bier und Häppchen über Dinge des Alltags plaudern. Auch die Unterbringung sprach für sich: in einem Fünf-Sterne-Hotel für knappe 550 DM die Nacht. Solch ein Aufwand wird normalerweise nur den Größen des Business‘ zuteil, kaum aber einer Band, deren erstes Album ‚Pablo Honey‘ gerade mal 20.000 Stück in Deutschland verkaufte. Die Erwartungen jedenfalls sind riesig und der Druck, der auf den Musikern lastet, nicht minder. So stehen die kommenden Wochen ganz im Zeichen von Konzerten und unzähligen Interviews in Europa und Amerika.

Vor allem Sänger und Songwriter Thom Yorke dürfte allein der Gedanke an die Strapazen erhebliche Bauchschmerzen bereiten. Nach dem Auftritt in Oxford hatte er einen Nervenzusammenbruch, von der Magen-Darm-Grippe, die ihm ziemlich zusetzt, gar nicht zu reden. Den anderen geht’s nicht viel besser, doch Zeit zum Erholen sieht der Terminplan nun einmal nicht vor. „Um eine solche Tortur überhaupt durchzustehen, mußt du dich voll auf deine Arbeit konzentrieren und auch geistig entsprechend motiviert sein. Darum lesen wir viele Bücher“, erklärt Drummer Phil Selway. „Videogames oder gar Alkohol sind tabu.“ Radiohead ist eine Band mit Bildung. Alle Mitglieder haben studiert, und Gitarrist Ed O’Brien hätte gar Lust, eines Tages mal das Fach Politologie zu unterrichten. „Ich habe schreckliche Lehrer während meiner Schulzeit erlebt, doch auf der Uni gab es dann Dozenten, die einen für Themen begeistern konnten. So etwas würde mich auch reizen.“ Fragt man irgendwelche Leute nach Radiohead, heißt es meist: „Ach, waren das nicht die mit diesem ruhigen Stück, wo plötzlich so ein lautes ‚Dadaaam‘-Gitarrenriff dazwischenfährt?“ Der Song hieß ‚Creep‘ und ist noch heute der beliebteste Titel bei ihren Konzerten. Als die Single im Mai 1992 erstmals in England erschien, war sie ein Flop. Erst Monate später, US-College Radios ‚Creep‘ hatten sie entdeckt und in die amerikanischen Charts gehievt, wurde sie schließlich auch auf der Insel ein Hit. „Eine ziemlich verrückte Situation: In Amerika spielten wir plötzlich in ausverkauften Hallen. In England dagegen waren selbst kleine Clubs nur zur Hälfte gefüllt“, erinnert sich Ed. „Das Gute daran ist, daß wir nicht auf die Hilfe von anderen angewiesen sind.“ Ein derart markanter Hit wie ‚Creep‘ fehlt auf ‚The Bends‘. Ob Radiohead in Deutschland der große Durchbruch, ähnlich dem der Cranberries, letztlich gelingt, muß sich erst noch zeigen. Ed O’Brien zumindest gibt sich optimistisch: „Ich persönlich bin felsenfest davon überzeugt, daß unser neues Album wesentlich besser und ausgereifter klingt als das Debüt. Augenblicklich gibt es jedenfalls nichts, was mir mehr behagte, als in einer Band zu spielen. Denn: Du bist viel auf Achse, wirst dafür auch noch bezahlt und von deinen Fans reichlich beschenkt. Was will man mehr? Wenn trotzdem alles schiefgeht, kann ich ja immer noch Lehrer werden.“