Randy Newman: Der Mann mit den tausend Komplexen


Seit sieben Jahren ist Randy Newman ständiger Geheimtip unter Kennern. Jetzt, nach seinem fünften Album, schwelgt Amerikas Musikpresse in den höchsten Tönen: "Noch nie gab es einen Lyriker, der die Schattenseiten des Lebens so treffend zum Ausdruck bringen konnte..." Mit seinem letzten Album "Good Old Boys" schaffte er auch bei uns in Deutschland den großen Durchbruch.

Trotz seiner Erfolge ist Randy Newman bescheiden geblieben. Er ist ein Mann mit tausend Komplexen. „Ich habe wahnsinniges Lampenfieber“, gesteht der 31jährige Sänger. „Vor den Fernsehkameras bewege ich mich linkisch, und in den Konzertsälen bricht mir der kalte Schweiß aus.“ Er ist fest davon überzeugt, daß er nichts Interessantes zu erzählen hat und hält sich am liebsten zu Hause, in seinen eigenen vier Wänden, auf. „Bei meiner Familie hocke ich tagelang vor dem Fernsehschirm und sehe mir eine Sendung nach der anderen an. Ich versäume kein Programm. Zwischen den Sendungen vertiefe ich mich in die neuesten Tageszeitungen und Zeitschriften. Damit mir auch nichts entgeht. Ich gehe nicht gern aus und bekomme nur selten Besuch.“

„Weil ich kein Geld mehr hatte“

Einer der wenigen Leute, die regelmäßig die Newmans besuchen, ist Produzent Lenny Waronker. „Lenny ist unheimlich eifrig“, erzählt Randy. „Er spricht nur über Musik. Das nervt mich manchmal ganz schön. Ich bin nämlich von Natur aus reichlich faul und arbeite nur, wenn es sein muß. Manchmal rühre ich mein Klavier monatelang überhaupt nicht an. Die letzten zwei Jahre habe ich nur von dem Geld gelebt, das ich mit meiner Langspielplatte „Sail Away“ verdient habe. Von dieser Platte wurden 12.000 Exemplare verkauft. Als ich kein Geld mehr hatte, schrieb ich „Good Old Boys“. Ich glaube, daß Lenny sich am meisten darüber gefreut hat.“

„Randy, denk an Deine Kinder!“

Nein, Lenny Waronker hat es nicht leicht mit seinem Schützling. „Ich muß ihn immer zum Arbeiten antreiben. Wie oft habe ich zu ihm gesagt: ‚Randy, denk an deine Frau und deine Kinder. Denk an mich und die Plattenfirma. Arbeite!!!‘ Ich glaube, er ist im Grunde genommen gar nicht so faul, wie er vorgibt. Er ist nur viel zu kritisch. Er ist nie mit seiner Musik zufrieden. An „Sail Away“ arbeitete er ein halbes Jahr. Er arbeitete sechs verschiedene Arrangements aus. Er ist sehr unsicher. Ihm gefällt überhaupt nichts. Auch von „Davy The Fat Boy“ schrieb er sechs verschiedene Versionen, und alle waren fantastisch.

Es gibt keinen Musiker, der ihm das Wasser reichen könnte. Keiner besitzt seine Kapazitäten. Die meisten wissen nicht einmal, wie ein Orchester aussieht, Randy wuchs damit auf . . .“

Grosse Orchester flössen mir Respekt ein

Als Junge hielt sich der am 28. November 1943 in Los Angeles geborene Randy Newman oft bei seinem Onkel Alfred auf, der in Hollywood ein großes Orchester dirigierte. Dieser Onkel schrieb auch die Filmmusik zu „The King And I“, „Carousel“ und „Airport“ und gewann insgesamt neun Oscars. Randy: „Damals entdeckte ich meine Liebe zur Musik. Große Orchester flößen mir noch heute unwahrscheinlichen Respekt ein. Ich spielte damals schon ein wenig Klavier und wollte unbedingt Musiker werden. Ich studierte am Konservatorium Kompositionslehre und arbeitete anschließend sechs Jahre lang mit Leuten wie David Gates, Leon Rüssel und P. J. Proby zusammen. Später nahmen Cilla Black, Dusty Springfield, Alan Price und Gene Pitney meine Songs auf. Obwohl mir ihre Versionen nicht gefielen, machten sie aus meinen Kompositionen große Hits.“

„Ich bin kein Zyniker“

Newman’s Interesse für große Orchester kommt ganz deutlich auf seiner ersten LP „Randy Newman Creates (Something Under The Sun)“ zum Ausdruck. Für diese Produktion hatte er ein 45köpfiges Orchester engagiert. Newman: „Mit dieser LP bin ich noch heute sehr zufrieden, obwohl sie nicht zu meinen Bestsellern gehört. Meine Musik ist inzwischen viel einfacher geworden. Mein jüngstes Album enthält nur drei Akkorde. Wirklich, meine Musik wird stets dümmer.“ Trotzdem kann Randy Newman mit „Good Old Boys“ mehr als nur zufrieden sein. Noch nie hat ein Musiker so treffend über die Schattenseiten des Lebens geschrieben wie er. Newman: „Ursprünglich wollte ich wie die Who mit „Tommy“ eine Konzept-LP daraus machen. Aber das war mir zu anstrengend. Deshalb schrieb ich über die Arroganz der Leute im Norden der Vereinigten Staaten. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, die Neger aus New York und Detroit hätten es besser als die in Atlanta und New Orleans. Die Diskriminierung herrscht im Norden genauso stark wie im Süden. Nein, ich bin kein Zyniker. Ich liebe den Menschen. Als Individuum ist er ganz in Ordnung. Als Gruppe können die Menschen allerdings gefährlich werden. Was mich am meisten stört, ist, daß mein Publikum mich als eine Art Botschafter sieht. Das bin ich nicht. Vielleicht will ich ein wenig zum Denken anregen. Mehr nicht. Ich wünschte, es würde mir nicht ganz so schwer fallen, Musik zu machen. Ich hasse den Rummel und das Aufheben, das um einen gemacht wird, wenn man berühmt ist. Sie sollen mich in Ruhe lassen …“