Red Hot Chili Peppers: Chicago, Allstate-Arena


Bei den Konzerten ihrer US-Tour zogen die Red Hot Chili Peppers auf der Bühne alle Showregister. Doch wie geht es bei Kiedis & Co. eigentlich bachstage zu? Und was dürfen die Fans bei den Deutschland-Konzerten im Sommer erwarten?

Was Musik so alles bewirken kann. Zum Beispiel eine triste Vorstadtszenerie in ein farbenprächtiges, fröhliches Spektakel verwandeln. Noch wenige Stunden vor der Show hieß es: Bonjour Tristesse! Am Boden lag schmutziger Schnee, am Horizont vermischten sich Beige, Grau und Smog. Links ein Supermarkt, rechts ein Doughnut-Shop. Und über der Arena dunkle Flugzeug-Silhouetten, die in Richtung der Landebahn des O’Hare-Airports glitten. Nur die Flotte chromglänzender Tourbusse und Trucks auf dem Parkplatz deutete daraufhin, dass hier am Abend ein Konzert stattfinden würde.

Ein paar Stunden später amüsierten sich dort Scharen von Fans, öffneten die Klappen ihrer Minivans, rissen die Anlagen und Bierdosen auf und tauschten Storys von vergangenen Konzerten aus. Und auch im Inneren tat sich was: Durch die schwere Stahltür zum Backstagebereich klang dumpf der Soundcheck des Opening Acts, Gnarls Barkley. Drinnen herrschte geordnetes Chaos: ca. 70 Roadies, Techniker und anderes Bandpersonal rollten Kisten hin und her, verlegten Kabel, und sicherten Stolperfallen mit Klebeband ab. Die Betonschräge 50 Meter hinunter wurde es ruhiger. Hier, in den Stadiums-Katakomben, lagen die temporären Büros der Produktionsfirma, die Umkleide- und Ruheräume der Bands und der Speisesaal, in dem Peppers-Chefkoch Wayno gerade Dinner serviert hatte. „Die Peppers achten sehr auf ihre Diät“, schmatzt Tourmanager Bill Rahmy zwischen zwei Bissen. „Auf Tour ist sogar ein Ernährungsberater dabei.“ Rahmy, 47, fast zwei Meter groß, das Gesicht umrahmt von einer schwarzen, zum Pferdeschwanz gebundenen Mähne, ist ein echtes Schlachtpferd. Er tourte u.a. mit REM, Tom Petty, den Foo Fighters, Pink, den Smashing Pumpkins und 16 Jahre mit den Beastie Boys. Seit sieben Jahren nun ist er auch für die Tourneen der Chili Peppers verantwortlich: „Ein wunderbarer Job. Es macht Spaß, für die Chili Peppers zu arbeiten. Sie sind so, ‚mellow‘ und erwachsen. Da gibt es keine bösen Worte, keine Exzesse und keinen Blödsinn, mit dem man sich rumschlagen muss. Echte Familienmenschen.“ Wie zur Bestätigung läuft Anthony Kiedis‘ Vater, der Schauspieler Blackie Dammett, vorbei, den Arm um seine hübsche Freundin geschlungen. Bill und er begrüßen sich wie alte Freunde, dann verschwinden Vater und Freundin hinter der Tür zum Ruheraum der Peppers. „Jetzt dürfen nur noch engste Freunde und Verwandte zur Band“, erzählt Bill. „Die Band braucht Zeit, um sich voll auf das Konzert zu konzentrieren. Flea und John jammen gerade auf ihren Gitarren, Chad trommelt auf einem Übungsset, und Anthony wärmt seine Stimmbänder an.“ Was? Keine Pre-Show-Party? Keine klirrenden Champagnergläser, kein kolumbianisches Marschierpulver, keine Groupies? Passiert all der Rock und all der Roll erst nach der Show? „Es passiert überhaupt kein Rock’n’Roll mehr abseits der Bühne. Zumindest nicht, seit ich mit ihnen auf Tour bin. Die wilden Zeiten sind vorbei.“

Neben dem täglichen Tourgeschehen plant Rahmy zusammen mit Setdesignern und Videokünstlern die Shows für die anstehende Europatour. „Wenn wir Ende Juni nach Deutschland kommen, werden wir die Show drastisch verändert haben. Die jetzige Show ist, für Peppers-Verhältnisse, sehr aufwendig. Allein für die Lichter brauchen wir drei bis vier Trucks. In Europa wollen wir mit einem Truck auskommen. Die Show wird minimalistischer. Früher sind die Peppers mit Glühbirnenattrappen oder Flammenwerfern auf den Köpfen und Socken auf ihren Pimmeln ausgekommen. Wahrscheinlich werden wir wieder in diese simple, aber effektive Richtung zielen. Wie genau die Show aussehen wird, kann ich aber noch nicht sagen, noch ist nichts hundertprozentig entschieden. “ Der Schritt zurück in Richtung Socken-Simplizismus hat nicht nur ästhetische, sondern auch handfeste Gründe:

„Die Peppers wollen ihre Tickets günstig halten. Und im Vergleich zu Tickets für eine Rolling-Stones- oder U2-Show sind sie ja auch günstig. Eine Riesenshow nach Übersee zu schicken, verschlingt aber Unmengen an Geld. Erst recht, wenn man den Terminplan der Peppers mit einberechnet: Sie spielen nie mehr als drei Wochen am Stück, dann sind zwei Wochen Pause. In dieser Zeit wird zwar nichts verdient, aber die Crew und das Equipment müssen trotzdem weiter bezahlt werden. Wir müssen die Show also außerhalb der USA kleiner halten.“ Ein anderer Grund ist das ökologische Gewissen der Band: „Wir betanken bereits seit sechs Monaten unsere Trucks und Busse ausschließlich mit Bio-Diesel“, erklärt Bill. „Und am 7. Juli werden wir im Rahmen des weltweiten „Live Earth“-Festivals auftreten.“ Bevor die Red Hot Chili Peppers aber zu den Green Hot Chili Peppers mutieren, wollen sie an diesem Abend noch einmal alle Showregister ziehen – inklusive der Armada von stromschluckenden Neonröhren, Videobildschirmen und Ufo-ähnlichen Ringlampen, die unter der Hallendecke schweben. „It’s showtime“, drängt Bill zum Aufbruch. „Die Vorgruppe sollten wir nicht verpassen.“

Tatsächlich sind Gnarls Barkley das perfekte Vorspiel für die Peppers: Mit ihrem Crossover zwischen HipHop und Elektronica verkörpern DJ Danger Mouse und Sänger Ceelo Green genau den ambitionierten, revolutionären Geist, der die Peppers Mitte der 80er beseelte und sie von einer lokalen Funpunk-Attraktion zur Stadionrock-Sensation katapultierte. In gerade mal 30 Minuten schaffen es Gnarls Barkley, die nach Bier und Schweiß muffelnde Sporthalle in ein tanzendes, johlendes Tollhaus zu verwandeln. Begleitet von zehn Musikern (davon vier als Schulmädchen verkleidete Streicherinnen: die „G-String Section“) servieren sie grandiose Over-the-Top-Versionen von Pink Floyds „Another Brick In The Wall“, Violent Femmes „Gone Daddy Gone“ und natürlich ihres Megahits „Crazy“ – von Ceelo als „der Song, der mich reich und berühmt gemacht hat. Der beste Song des letzten Jahres!“ angekündigt. Selbst die Wildecker Herzbuben hätten es nach diesem Opener leicht gehabt, das Publikum zu begeistern. Die Red Hot Chili Peppers allerdings, auf der Höhe ihres musikalischen Könnens angelangt, reißen der mit 18.500 Fans gefüllten Halle sozusagen das Dach auf und lassen bunte Sterne regnen. Es wäre müßig, das Konzert Song für Song durchzugehen. Begnügen wir uns stattdessen mit den Highlights. Und das sind überraschenderweise gar nicht mal die großen Hits wie „Blood Sugar Sex Magic“ oder „Give It Away“, sondern Perlen wie „21st Century“, „Throw Away Your Television“ und „Don’t Forget Me“. Die drei kommen nach ca. 30 Minuten Schlag auf Schlag, und sie knocken mit ihrer live extrem verstärkten Vitalität und Wucht, insbesondere aber mit John Frusciantes fulminantem Gitarrenspiel, das Publikum fast aus. Überhaupt: Frusciante. Jedes seiner Hendrix-esken Soli (und es gibt einige davon) ward frenetisch gefeiert. Und selbst die abgedrehtesten Jams, die er zusammen mit Chad und Flea zwischen den Songs anleiert und die mehr nach Herbie Hancocks Headhunters oder Weather Report als nach Rockband klingen, werden bejubelt und betanzt. Manchmal wirkt Kiedis fast verloren daneben, doch wenn er dann wie ein Affe auf Crack über die Bühne hüpft, dann wird sein Tanz auf seltsame Art und Weise essenzieller Teil des Ganzen. Jazzige Klänge, groovende Jams, kosmische Gitarren, Kiff-Schwaden und Fans, die wie Derwische tanzen: Wären nicht ab und zu die epischen Rock-Refrains von „By The Way“ oder „Dani California“ eingestreut, man könnte denken, man sei auf einem futuristischen „Greatful Dead“-Konzert. Selbst in den Fan-Foren wurde im Anschluss der „Grateful Dead“-Vergleich bemüht. Nicht jeder stimmte ihm zu, aber in einem waren sich alle einig: Es war eine der besten Chili-Pepper-Shows der letzten Jahre.

www.redhotchilipeppers.com

MUSIKEXPRESS PRÄSENTIERT:

29.6. München, Olympiastadion 1.7. Hamburg.AOL-Arena 4.7. Dresden, Volksfestgelände Pieschener Allee MCT: Tickets: Tel. 0800/6287467; www.tickets.de