Andy Votel – All Ten Fingers :: Die Platte des Monats

Ein nimmermüder Spinner ist er, der Herr Votel. Zieht Kerzen, widmete sich sogar schon dem eher weniger kreativen Schlachterhandwerk, macht im Film, DJing, Design, Schirmmützenaufsetzen und Turnschuhesammeln, sucht laufend schräge, mindestens schrullige Musikanten für sein Label Twisted Nerve. Zuletzt co-produzierte der um seine Wunderlichkeiten gottlob nie zu angestrengt bemühte knautschige kleine Mann aus Manchester das jüngste Meisterwerk des Badly Drawn Boy (was, schon wieder Wollmützenträger-Grande-Pop in dieser Rubrik?). Als Referenz für das eigene Tun taugt das allerdings kaum [puh!).

Schlauer wird, wer die Namen und Klänge derer kennt, die Andy Votel bislang unter anderem remixte: The Avalanches, Add N To (X) und Mouse On Mars zum Beispiel. Mixe nun der werte Leser unter urbritischen Vorzeichen, aber auch die Errungenschaften des Krautrock beachtend die Erinnerung an die Musik der Genannten – und die derer, die Genannte vorrangig beeinflussten – in seiner hoffentlich regen und spurenreichen Phantasie, schon erhält er eine ganz brauchbare Vorstellung davon, wie All Ten Fingers klingt. Spinnert eben, Überbordend, Zumeist kleinteilig und umtriebig, oft recht umwegig. Verhuscht und immer eine Spur neben dem, was allgemein als „Timing“ gilt. Voll mit in Setzkastenarrangements verpackten Klingklang aus Flöten, Raschelbehältern, Resonanzlöchern und verspielter Elektronik, angereichert mit allerlei Tönen, die vorrangig für sich und erst mit ein wenig Geduld auch für eine Melodie stehen. Ja, recht avantgardistisch ist All Ten Fingers auch, nicht sparsam mit Brüchen und konsequenten Eigenwilligkeiten, allerdings immer im Rahmen des relativen Wohlklangs und im selbstbewusst erweiterten Sinne der popmusikalischen Kurzweil.

Malcolm Mooneys Entscheidung, nach Ewigkeiten ausgerechnet auf diesem Album wieder seine Stimme zur gesanglichen Improvisation zu erheben, war deshalb auch ganz eindeutig eine der besseren in der Karriere des einstigen Can-Sängers. Meisterlich kauderwelscht sich Mooney in „Salted Tangerines“ durch ein eigentümlich im Kreis trippelndes Klimpermotiv-alte Avantgarde-Schule, Inspiration bis ins Alter, gleichberechtigt an der Seite eines Schülers die Kunst weiter voranbringend. Groß auch, aber vergleichsweise konservativ das Gastspiel der ohnehin schon geadelten Elbow, für das sich Votel im tragischen „The Viy“ an das kompakte Format einer angemessen wogenden Ballade hält. Ein Song, wie er nur jedes erdenkliche Coldplay-Album veredeln könnte.

Kein Wunder, dass es den Gastgeber nach dem Zur-Tür-Bringen aber mit umso energischerem Drang in die dralle Uferlosigkeit treibt, Hawkwind’schen Spacerock ein Denkmal setzend – sogar der heulende Wind aus der Konserve fehlt „Revenge Of The Spooky Driver“ nicht. Dass keine halbe Stunde zuvor auch ein Swingendes Tänzchen im Sinne von Combustible Edison auf All Ten Fingers Platz fand. Dass einen Moment später das liebliche Durcheinander „On Dogs“ eitel Freude bereitete wie jene durch die High Llamas lizensierten Pet Sounds, die man Sean O’Hagan vor dem letzten Feinschliff jedoch zwangsenteignet hatte.Und dass man die Namen von Mitgliedern der Beta Band und von Stereolab, Aphex Twin oder Yoko Ono im Booklet letztlich umsonst sucht, obwohl man sich eigentlich sicher war, dass … Eben dieser Reichtum der angeblichen Unvereinbarkeiten zeichnet diese LP aus, ohne dass All Ten Fingers tatsächlich ein Durcheinande rwäre.www.twistednerve.com