Avril – That Horse Must Be Starving :: Elektronik leicht gemacht

Elektronische Musik zu beschreiben ist so ziemlich die undankbarste Aufgabe, die sich einem Kritiker stellen kann. Weil sie kaum in Worte zu fassen ist. Sie ist abstrakt, künstlerisch, schwerelos. Sie zu kategorisieren und zu analysieren hieße, ihr die Mystik zu nehmen, die Seele zu rauben und sie an die Kette zu legen. Wie beim guten Fred Avril, der 27 Jahre gebraucht hat, um nun sein Erstlingswerk vorzulegen. Doch das ist so ausgereift, so stilsicher und in sich geschlossen, dass man ihm das ohnehin nicht abnehmen möchte. Denn was der Mann aus Bordeaux hier abliefert, ist die Essenz aus drei Dekaden synthetischer Klangkunst. Einerseits flirrende Klanggemälde ä la Air, die jede Kunstausstellung und jede Chrom-Bar untermalen könnten. Andererseits vertrackte Elektro-Pop-Nummern mit treibendem Rhythmen, souligen Vocals und eingängigen Melodien. Oder aber gespenstisch inszenierter New Wave in bester Mittsiebziger-Bowie-Manier. Und dann wieder Pathos, Bombast, Melodrama und Musical-Flair. „Eye World“ heißt das Stück, das auch Andrew Lloyd Webber glücklich machen würde, sollte er je eine futuristische Romanze ins Londoner Westend oder an den Broadway bringen. Aber Avril, der Newcomer aus der Provinz, macht es schon heute – unkonventionell und ultra-cool. Schließlich ist THE HORSE MUST BE STAR-VING wie ein Hörspiel aufgezogen. Das Album zeigt unseren musizierenden Helden in verschiedenen Lebensund Leidenslagen, der mal in Selbstmitleid, mal in erotischen Phantasien, mal in sexueller Ekstase und dann wieder im ganz großen Frust schwelgt. Eine emotionale Achterbahnfahrt, bei der alles wunderbar miteinander vermixt wird, aber doch nie zu cool, zu neon oder zu abstrakt wirkt. Dafür sorgen humanoide Stimm- und Geräuschsequenzen sowie eine atemberaubende Instrumentierung, die weder auf Akkordeon, Gitarre noch Piano verzichtet. Ein meisterliches Album.

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