Ben Becker – Und lautlos fliegt der Kopf weg
Wenn sich einer auf seinem ersten Album gleich mal mit den Worten „Ich bin Brian Jones“ vorstellt, dann dürfen wir dankbar feststellen: Ja, der ist ein frecher Mensch. Und wenn er dann, ohne auch nur eine verunglückte Textzeile zu produzieren im weiteren Verlauf seines Debütwerks ein rabiates Geschichtchen über einen armen, kranken, arbeitslosen Menschen in einem Berliner U-Bahn-Wagen erzählt (‚Ich hab‘ Pickel im Gesicht‘), der (‚Na gut, bittesehr‘) schließlich mit einem Maschinengewehr zu hantieren beginnt, dann hat er schon gewonnen: Na gut, bitte sehr. Schauspielende Menschen hatten schon immer die Angewohnheit, irgendwann irgendwelche Alben zu besingen; meistens gereichte ihnen derlei Tun nicht gerade zum Vorteil. Aber es gibt auch Gegenbeispiele. Mario Adorf etwa, der neuerdings Georg Kreisler singt, Ben Beckers Schwester Meret, die mit dem Album NOCTAMBULE reüssierte und nunmehr Ben selbst. UND LAUTLOS FLIEGT DER KOPF WEG versammelt zehn kongenial vertonte, hochgradig witzige Short Stories über Menschen, die plötzlich aus der Bahn geworfen wurden: Ein König der Monster, ein verunglückender amerikanischer Spanner in Kuba und ein BMW-Fahrer auf der Autobahn, der sein Klagelied singt: „Gestern hab‘ ich ne Telefonummer vergessen,
ich weiß nicht mehr von wem.“ Der Meister selbst, stimmlich angesiedelt irgendwo zwischen Rio Reiser und Otto Sander, knarzt zumeist mystisch im erotischen Bereich, erzählt dunkel Düsteres über seine auseinanderbrechende Welt, deren Bewohner er mit subtilem Hohn und sanftem Spott durchdrehen läßt. Und dann sind da noch die (Film-)Komponisten Jackie Engelker und Ulrik Spies, die zu den verwegenen Geschichten des Herrn Becker die passenden Stimmungen erzeugen und aus den Stories kurze, präzise und bündige Rocksongs machen. Schön, daß man doch immer wieder feststellen darf: Auch deutschsprachige Songs können wesentlich mehr bieten als Peinlichkeiten. Na gut, bittesehr.
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