Black Sabbath

Paranoid

Universal

Der Heavy Metal-Klassiker schlechthin. Jetzt mit Zusatzklimbim.

1970 war das große Jahr des Beeindruckungs-Rock. Man protzte mit tonnenschwerem Equipment, maß sich kompositorisch an Wagner und Beethoven, walzte tonnenschwere Riffs auf Viertelstundenlänge aus, wälzte sich in Tempowechseln, Trommelwirbeln und Gewittern von Gitarrensoli. Black Sabbath gingen einen Schritt weiter: Die wollten ihrem Publikum Angst einjagen und gründeten ihren Erfolg auf die Etablierung der Rockmusik-Faustregel: Wenn es den Eltern Fracksausen macht – fantastisch! Auf ihrem zweiten Album definierte die ehemalige Bluesrockcombo ihren Stil für alle Zeiten – eben vor allem: tonnenschwere Riffs, Tempowechsel, schneidend beleidigt-trotziger Gesang, der auf Bluesattitüden verzichtete und seine hypnotisch gleichen Strophenmelodien ganz am Riff orientierte. Das nannte man „Heavy Metal“, und dass Gitarrist Tony Iommi sich mit 17 als Metallarbeiter bei einem Unfall zwei Fingerkuppen abgeschnitten und durch geschmolzenes Plastik ersetzt hatte, sagt eigentlich alles. Diese Männer waren hart! Gründlich missverstanden wurde ihre Intention: Aus Ozzy Osbournes Texten und der dröhnenden Simpel-Psychedelik sprach nicht irgendeine Teufelsanbeterei, sondern Zorn und Trauer über den Zustand der Welt, über Krieg, Zerstörung, Drogenwahn. Dass sie vor allem bei Leuten Gehör fanden, die eher am Kneipentresen und in der Fabrik als im Cafe und an der Operngarderobe anzutreffen sind, hat zwei Gründe: Zum einen waren sich die Kritiker einig, dass Sabbath primitiv, roh, brutal und nicht besonders helle waren. Zum anderen waren Sabbath wirklich primitiv, roh und brutal, aber mit Absicht undhöchstem Wirkungsgrad: Iommis Gitarrenspiel ist so breit und wuchtig, dass Ritchie Blackmore bei der zehnten Solo-Umdrehung angekommen wäre, ehe Iommi ein einziges Riff beendet hätte. Bill Wards Trommeln klingen wie ein Satz Kesselpauken, gespielt mit zwei Meter langen Holzbalken; Geezer Butlers Bass gibt wieder, wie sich eine Ameise im Inneren eines Dampfhammers fühlt, und Ozzys böse, zynisch-weinerliche Kehle muss man niemandem mehr beschreiben. Die Sabbath-Songs wirken wie ein Gewitter, deshalb sind sie auch scheinbar so simpel: Ein Unwetter besteht schließlich auch nur aus Luft und Wasser: den Unrat an Depressionen, Aggressionen und Überdruss steuert der Hörer bei, und spätestens beim dritten Riff von „War Pigs“ ist alles kurz, klein und weg; zurück bleibt ein angenehm leerer Kopf und ein höhnisches Lachen. Vielleicht war’s das, was viele Eltern so erschreckt hat. PARANOID ist ein Album, das jeder Rockmusikinteressierte kennen muss. Ärgerlich nur, dass man es alle paar Jahre neu kaufen soll, diesmal als Dreifach-CD mit frühen Instrumentalversionen (die höchstens für Ozzy-Karaoke taugen) und dem „raren Quadrophonic-Mix“ (der jedoch so rar ist, dass er dem Rezensenten leider nicht zur Verfügung gestellt werden konnte).

VÖ: 10.4.

www.blacksabbath.com