Bloc Party – Silent Alarm :: Play It Cool, Boys

Ein gesundes Misstrauen ist vielleicht nicht unbedingt der schlechteste Ratgeber, wenn es darum geht, sich einer Band zu nähern, die lange vor der Veröffentlichung ihres Debütalbums von der britischen Musikpresse als die „nächsten Franz Ferdinand“ angepriesen wird. Jetzt wissen wir ja schon, dass die Briten gerne mal übers Ziel hinausschießen, wenn es um die fachgerechte Hochjubelung von jungen, neuen Bands geht – vorzugsweise aus dem eigenen Land -, aber: get real, niemand braucht die nächsten Franz Ferdinand, weil nämlich die jetzigen Franz Ferdinand nach einem Album und einer Hand voll Singles noch ganz gut darin sind, das Franz-Ferdinand-Feld zu beackern, und weil sie erst jetzt langsam vom Mainstream kapiert werden – geben wir ihnen also noch ein oder zwei Alben, bevor wir sie angewidert auf dem Müllhaufen der Popkultur entsorgen.

Bloc Party waren in den vergangenen eineinhalb Jahren unterschwellig immer irgendwie da. Mit ihren Singles „She’s Hearing Voices“, „Little Thoughts“, „Helicopter“ und der „Bloc Party EP“ (inkl. „Banquet“) – was bis auf „Little Thoughts“ hier alles drauf ist. Diese Präsenz hat die immer ganz weit vorne sein Wollenden neugierig gemacht und dieses Album in den diversen Internetforen zu einem tatsächlich „lange erwarteten“. Und sagen wir doch, wie’s ist: S1LENT ALARM ist das aufregendste Debütalbum seit, ähem, FRANZ FERDINAND. Punkt. Und das haben vier Jungs zwischen 23 und 28 lahren aufgenommen, bei deren musikalischer Sozialisation Bands wie The Cure, die Pixies, Radiohead, The Smiths, Sonic Youth, Dinosaur Jr., Supertramp und Fleetwood Mac eine Rolle gespielt haben.

Der nicht repräsentative silent ALARM-klingt-jawie-Test bringt erstaunliche Ergebnisse: wie The Cure, sagt einer; nein, wie The Rapture, ein anderer. Nein, wie Dinosaur Jr. Oder doch wie The Ruts? Oder wie Franz Ferdinand? Jeder hat Recht und bezichtigt doch den anderen des Unrechthabens. Lassen wir Bloc Party selber zu Wort kommen: Prince und Shellac, sagen sie, sind ihre musikalischen Lieblinge. Wow, wie gewagt, total unterschiedliche Musiker zu nennen! Die ziemlich schleimige, sich anbiedernde, ha-ha-gewitzte Aussage, die sich wie das mundgerecht servierte Statement fürs Presseinfo liest, wird allerdings von der Musik auf SILENT ALARM aufs Erstaunlichste bestätigt. Das ist in der Hektik der frühen New Wave verwurzelter Indie-Gitarren-Rock, der sich nicht schämt, funky und tanzbar zu sein, der eine stürmende und drängende Crazyness verbreitet, die nicht aufgesetzt wirkt. Avant-Rock, der hüpft und tanzt und damit näher an DFA ist als an den Libertines, näher an New York, circa 1983, ist als an London, circa 2005. Es geht hier nicht um „gute“ oder „schlechte“ Songs, obwohl es auf diesem Album keinen einzigen „schlechten“ Song gibt -es geht um Soundästhetik. Das ist das Konzept. Da schadet eine sphärisch-psychedelische Existenzialisten-Nummer wie „So Here We Are“ überhaupt nicht, denn sie erklärt auch noch schön, weshalb Bloc Party im Dezember im Vorprogramm der sphärisch-psychedelischen Existenzialisten Interpol unterwegs waren.

Sänger Kele Okereke lamentiert auf SILENT ALARM wie der junge Robert Smith über einer Musik, die man früher „Rock“ genannt hat, die man sich heute aber nicht mehr so zu nennen traut, weil sie nicht mehr nur aus einem straighten Vierviertel-Beat und Strophe-Refrain-Strophe besteht, sondern weil da verdammt viel passieren kann zwischen Strophe und Refrain. Haken schlagende Rhythmus- und Tempowechsel zum Beispiel, oder ein kurzes, verzerrtes Gitarrensolo, da wo noch Platz ist für ein kurzes, verzerrtes Gitarrensolo.

silent ALARM ist ein hübsches Beispiel für die musikalische Urgewalt und die Energie, die von einem Album ausgeht, das nur von einer Band gemacht werden kann, bei der das Feuer noch brennt; ein Beispiel dafür, dass aus der unerschöpflichen Requisitenkammer der Popgeschichte immer wieder eine Musik zusammengebasrelt werden kann, die nicht unbedingt „neu“, aber erstaunlich klingt. Und das ist es doch, was wir wollen: alle paar Monate wieder aufs Neue erstaunt werden. Notfalls von einer Platte.

VÖ: 14.2.

www.blocparty.com