Bob Dylan :: Oh Mercy
Bevor das allgemeine Interesse an seiner Kunst völlig zu verlöschen drohte, hat der Altmeister der amerikanischen Singer/ Songwriter höchst erfolgreich eine Paternosterkabine nach oben erwischt. Und zwar nicht, was naheliegend gewesen wäre, durch eine Fortschreibung des erfolgreichen Traveling-Wilbury-Konzepts, sondern indem er sich endlich eingesteht, was ohnehin jeder weiß: Bob Dylan ist im Grunde ein Folkie, kein Rocker, und folglich ist sein Metier nicht unbedingt das rockige, sondern das schlichte, das raffinierte akustische Lied. Von dieser Sorte gibt’s hier etliche Beispiele: Sanft sich wiegende, den Blues atmende, nachdenkliche Balladen zu sparsamer Klavier-, Gitarren und Dobro-Begleitung (dreimal schweigt das Schlagzeug ganz), zu denen Dylan seinen sympathischen krächzenden Sprechgesang voller Melancholie und Wärme beisteuert. Selbst die geliebte Mundharmonika klingt in dieser vorzüglichen Kammermusik für ganz späte Stunden sanfter denn je. Im Kontrast dazu stehen, als letzte Überbleibsel aus rockiger Dylan-Zeit, das mit Bluesrock-Strukturen versehene Stück „Where Teardrops Fall“ sowie „Political World“ und „Everything Is Broken“, wo sich Dylan – auch das eine kluge Entscheidung – rhythmisch und textlich an Lou Reeds Stil anhängt. So bleibt er up to date, ohne konzeptionelle Verrenkungen zu riskieren.
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