Bob Marley & The Wailers – Exodus

Das sechste Island-Album von Rastaman Bob Marley und seinen Wailers trägt nicht umsonst den Titel „Exodus“. Es handelt vom Auszug aus „Babylon“ (damit meinen die Rasta-Leute Jamaica und den Rest der außerafrikanischen Welt) und von der Rückkehr der als Sklaven verschleppten Afrikaner in ihre Heimat. Marley hat Jamaica nach dem Attentat auf ihn verlassen; das vorläufige Exil wurde England. Dieser Schritt aber ist eben nicht Resignation, sondern im Sinne der religiös-politischen Rasta-Lehre nur konsequent. Und so hört man, wenn man „Exodus“ auflegt, nicht nur Reggae, sondern spürt auch eine immense Kraft, die von Marley aus- und auf den Zuhörer übergeht.

Trotz des Anschlags vom vergangenen Dezember bringt die neue LP keine bitteren Töne, keine depressiven Zweifel. Eine fröhliche, ganz und gar irdische Lebenslust spricht aus diesem Album, das den „JAH People“ (ein anderer Name für die Rasta-Leute) gewidmet ist. Das aufregendste und wirklich hypnotische Stück, der Titelsong „Exodus“, überzeugt gleichzeitig als geistiges Programm und als Mittel zurkörperlichenBefreiung. „Walk, through the roads of creation/ We’re the generation/ „Who trod thru great tribulation/ Exodus, movement of Jah people…“ Von gleicher Thematik‘ sind „The Heathen“ und „Natural Mystic“ und Marley hat für diesen Inhalt auch eine adäquate Gesangssprache gefunden: sowohl sein Stil als auch der des Begleitchors, den I Threes, ist stark vom Gospel beeinflußt. Während die erste Seite die bewegteren, rhythmischeren und rockigeren Stücke aufweist, findet man auf der Seite zwei vorwiegend ruhige Liebesballaden im Soulstil der frühen Jahre, abgerundet durch die Curtis Mayfield – Komposition „People. Get Ready“. „Jamming“, ein sehr beschwingter, offener Song wird auf Dauer zu einem echten Ohrwurm. Überhaupt ist dieses Album, als erstes in England produziert, wesentlich melodiöser und zugänglicher als Marleys frühere Platten. Im Sound ist es an den Standard heutiger Rockproduktionen angeglichen; es wirkt voller und präsenter und verlangt nicht unbedingt Reggaegeschulte Ohren. Und wenn man es langsam auf sich einwirken läßt, dann erhält es dieselbe Intensität, die schon alle Marley Platten davor besitzen; es bringt jeden Zuhörer allmählich auf die Beine und in die richtige Stimmung, einfach drauflos zu tanzen.