Brad Mehldau – Live in Tokyo
Anfangs, vor über einem Jahrzehnt, wurde er als würdiger Keith-Jarrett-Apologet anerkannt. Mittlerweite ist Brad Mehldau am Flügel flügge geworden, hat er sich seinen ganz eigenen Jazz-Kosmos erobert – zwar immer gerne und oft mit den klassischen Jazz-Hits aus der Real-Book-Bibel. Doch Mehldau ist Zeitgenosse genug, um sich in neue Melodien zu vergucken. Und da die heute nicht mehr im Jazz gedeihen, sondern aus dem Pop- und Rock-Mutterboden sprießen, pickt er sich regelmäßig jene Songs heraus, die mit seinem markant-elegischen, federnden und treibenden Klavierspiel bestens harmonieren. Auf seinem letzten Trio-Album anything GOES stieß man daher zwischen Charlie Chaplin und Cole Porter auf Paul Simons „Still Crazy After All These Years“ und Radioheads „Everything In Its Right Place“. Wie fast erwartet, ist auf seinem ersten Soloalbum, das in Tokio live mitgeschnitten wurde, nicht viel an der Dramaturgie geändert worden. Es gibt einen Monk-Klassiker „Monk’s Dream“) und gleich zwei Gershwin-Leckerbissen. Es gibt aber auch „Paranoid Android“ von Radiohead sowie „Things Behind The Sun“ und „River Man“ von Nick Drake. Und genau diese Auswahl ist maßgeschneidert, um das ganze Herz-Rhythmus-System Mehldaus kennen und lieben zu lernen. Weil er 20 Minuten lang Radiohead mit minimalistisehen Verwirbelungen und voluminöser Akkord-Arbeit versetzt und nebenbei einen diabolischen Takt schlägt. Dann wieder schlendert und träumt Mehldau sich romantisch durch Drakes Welten, jubelt er wie selbstverständlich Monk die Erkennungsmelodie von „Charlie Brown“ unter. Es sind diese kleinen Fremdkörper und großen Gedankengänge, die aus Mehldau mehr als nur einen Jazz-Pianisten machen.
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