Bum Khun Cha Youth – Alarm! Hanns-Martin Ist Verschwunden

Vor 30 Jahren, im deutschen Herbst 1977, hätte diese Platte eine Hausdurchsuchung gekostet. Heute gibt’s bestenfalls eine Einladung in die nächste TV-Talkrunde. Also Herr Volkmann, Herr Nachtigall, machen Sie sich fein für den Lifestyle-Pop-Diskurs zum dritten Fernsehfrühling der RAF. Alarm! Hanns-Martin Ist Verschwunden: Könnte ja ein schlechter Scherz von ein paar Pop-Bohemians während der großen Stammheim-Festspiele sein. Ulrich Nachtigall, der alle Songs geschrieben hat und Linus Volkmann, „Super Lupo“-Erfinder, Meinungsmacher beim Musikmagazin „Intro“ und Texter, betreiben seit elf Jahren die Bum Khun Cha Youth, eine Hin-und Wieder-Band mit ein paar 7-Inch-Veröffentlichungen („Wann hast du eigentlich aufgehört, mich zu lieben. Schatz?“) und gerne lächerlichen Live-Shows. Sie spielen „gecrackte Bierzelt-Indie-Software 1.0“ und erinnern an die Slogan-Väter der deutschen Punk-Szene: „Du musst etwas essen, damit es Deutschland weitergibt“ („Hungern gegen den Staat“). „We All Thank You R.A.F“ soll keine Provokation darstellen, die Autoren verabschieden damit das „Arschloch Meinungspluralismus“, irgendwie hängen die Stimmen etwas in den Synthieflächen, das kommt davon, wenn der Diskurs den Kopf müde geklopft hat. Aber war Pop nicht schon immer „Das Undenkbare denken“? Die RAF soll Metapher sein für die im Medien-Geröll entwerteten, gleichsam verbotenen Utopien, die Platte – natürlich – kein Aufruf zu Gewalt/Mord. Nachtigall und Volkmann stellen aber gerne die einfachen Fragen („Bist du glücklich“) und verweigern sich konsequent einfachen Antworten. Sie lassen das Album im positiven Sinne um das Modell RAF (siehe CD-Booklet) zirkulieren: „Denn wenn deren Geschichte letztlich nur noch aufgehen würde in eitlen Spinner-Artefakten von Mediengruppe Telekommander, Prada-Meinhof-Gags oder in Scheißhausfilmen von Volker Schlöndorf (sic!), müsste man doch echt schlecht drauf kommen.“ Davor soll dieses Album schützen, ein Synthiepopknuddeltierchen von flotter Gangart und freiem Gedankenspiel. Ist Alarm in Wirklichkeit nicht eine weitere Andreas-Dorau-Platte, so ca. Demokratie, 1988. Wer erinnert sich noch an die spitzfindige Zeile des Hamburgers: „Das ist Demokratie, langweilig wird sie nie“. Wer jetzt die Bum Khun Chas hört, darf sich des Dorau-Überbaus erinnern und mit „Eichhörnchen im Erdnussfieber“ die Tanzfläche betreten. Das ist keine Utopie.

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