Carolyne Mas – Modern Dreams

Liebe Carolyne, was ist los mit Dir? Als ich Dich damals beim Interview kennenlernte, hast Du mich echt beeindruckt. Und angesichts Deiner bis dahin erschienenen drei Platten und Deinem energiegeladenen Liveact hätte ich für Dich die Hand ins Feuer gelegt. Ich bin damals rumgelaufen und hab alle Leute vollgequatscht, wie dufte Du doch seist, und daß Deine Platten in keiner guten Sammlung fehlen dürften. Und wenn ich mal besonders euphorisch war, ist mir auch manchmal ein Spruch wie „Die weibliche Zukunft des Rock’n‘-Roll“ über die Lippen gerutscht.

Und was machst Du 77? Während ich angesichts Deiner permanenten kreativen Steigerung jetzt von Dir die Überplatte erwartet habe, veröffentlichst Du mit MODERN DREAMS ein recht zwiespältiges Album. Während sich die Platte auf dem Teller dreht, kann ich gar nicht glauben, daß das die alte Carolyne Mas sein soll. Vergeblich suche ich nach dem Biß und der Spontanität, die Deine alten Scheiben hatten. Währenddessen plätschern aus meinen Boxen flockige Popsongs, von denen einige zwar ganz nett, aber letzten Endes reichlich harmlos sind. Das Schlimmste ist jedoch diese aalglatte und dick aufgetragene Produktion Deines neuen Produzentengespanns Phil Chapman & Jon Astley. Was sind das für Kerle?? Leiden die Herren unter einem Phil Spector-Komplex, oder wieso haben sie die teilweise doch ganz guten Songs so zugekleistert? Deinen hervorragenden Saxophonspieler Crispin McCormick-Cio konnten sie anscheinend gar nicht leiden – oder wieso haben sie ihn fast völlig in den Hintergrund gemischt?

Doch zurück zu Dir, denn ohne Dich hätten sie diese Untat ja nicht durchführen können. Was hat Dich bloß dazu gebracht? War es Druck der Plattenfirma, die mit den recht mäßigen Plattenverkäufen unzufrieden war? Oder wolltest Du selbst endlich ein paar Kohlen sehen. Hattest Du genug von den permanenten Vergleichen mit Bruce Springsteen und hast deshalb die Rock-Balladen mit dem dominanten Saxophon gegen softe Pop-Stücke vertauscht?

Also mach mal eine kreative Pause, vier Platten in 22 Monaten sind (zu?) viel, schick die beiden Laumänner Chapman & Astley in die Wüste und laß Deine nächste LP wieder von Steve Burgh produzieren, dann kann ich auch wieder hoffen. Mit traurigen Grüßen Dein Tom.