Cat Power

Sun

Matador/Beggars/Radio VÖ: 31.8.

Eine Art Elektro-Pop, durch die Augen der gereiften Singer/Songwriterin gesehen. Am Mischpult saß die French-House-Koryphäe Philippe Zdar von Cassius.

Irgendwo auf dem Weg zwischen ihrer ersten musikalischen Äußerung im Jahr 1992 und heute hat Chan Marshall (auch schon knackige 40 Jahre alt) beschlossen, Popstar zu werden. Dieser Versuch der Popstarwerdung fiel mit dem letzten Cat-Power-Album mit ausschließlich Eigenkompositionen zusammen: The Greatest aus dem Jahr 2006. Es war Marshalls „reifes“ Singer/Songwriter-Album mit üppigen Arrangements aus dem siebten Piano- und Streicher-Himmel, und langsam hatten wir erkannt, dass diese Frau auch richtig singen kann. Wir erinnerten uns an die erste Cat-Power-Single „Headlights“ von 1994, diese wunderbare Antimusik, in der sich Marshalls dünne Zitterstimme, die bluesig gemeinte Slidegitarre und das Waschtrommelschlagzeug gegenseitig aufhoben. Lo-Fi sollte Musik wie diese bald danach genannt werden.

Von der Lo-Fi-Ästhetik der frühen 90er-Jahre war The Greatest weit entfernt, mindestens so weit wie Chan Marshall vom Popstar – die Bemühungen beschränkten sich eher auf ein glossy Äußeres; Marshall ließ sich professionell geschminkt mit perfektem langen Haar fotografieren, vielleicht war das für Editorials in Hochglanz­magazinen bestimmt, die dann aber niemals zustande kamen. Auf dem Coverbild von Sun, Cat Powers aktuellem Album, sind die Haare ab, ein Zeichen für Veränderung im Leben, sagt der Feierabendpsychologe. Das Bild ist zwar schon 20 Jahre alt, es kommt allerdings dem aktuellen Aussehen der Künstlerin sehr nahe. Sie blickt in einer Mischung aus Verletztheit und Verlorenheit, aber gleichzeitig stolz und erhaben am Betrachter vorbei ins Nichts. Dieses Album, das neunte insgesamt und das erste seit der Coverplatte Jukebox von 2008, könnte tatsächlich so etwas wie die Hitplatte der Musikerin aus Atlanta, Georgia werden.

Sun läutet Phase 3 in der musikalischen Evolution von Cat Power ein, ohne gleich das Wort von der Neuerfindung bemühen zu müssen. Nach dem Lo-Fi und seiner gemäß dem Motto learning by doing fast schon notwendigen Entwicklung zur reifen Singer/Songwriterin kommt jetzt der advanced (Elektro-)Pop von Cat Power. Es gibt hier teilweise heftigste elektronische Backings (zum Beispiel im psychedelisch angehauchten Titelsong), subsonische Bässe, Beat Box, Synthesizer – am Mischpult saß Philippe Zdar von den französischen Elektro-Poppern Cassius, zu dessen jüngsten Großtaten die Produktion des aktuellen The-Rapture-Albums In The Grace Of Your Love zählt. Aber keine Angst, ihr Freunde der „hand­gemachten“ Musik, es sind immer noch hervorragende Songs, die Cat Power hier präsentiert. Und das Wunderbare daran ist, dass sie die Erkenntnisse aus all ihren Schaffensphasen einfließen lässt in ihre aktuelle Kunst.

Key Tracks: „Sun“, „Always On My Own“, „Human Being“

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