Clash – Give ‚Em Enough Rope
„… there s danger on the edge of town.“(Jim Morrison).
„… c‘ mon humor me.“(Pere Ubu).
Dies ist ein beunruhigendes Album. Ein politisches Rock’n‘ Roll-Album. Das beunruhigendste überhaupt. Beunruhigend: die innere Bewegung/Erregtheit und der pulsierende Zorn/ Ärger des Joe Strummer-Gesangs; dazu die rausgerissenen/ hervorschießenden Gitarren-Attacken von Mick Jones. Beunruhigend: die militaristische Verpackung nach Westernart; chinesische Kavallerie marschiert vor dem verfallenen Kadaver eines Wildwest-Cowboys auf. Beunruhigend: der Zustand der Welt/ des Menschen, wie ihn die Clash vage/ ungenau skizzieren.
Die allgemeine Stimmung von „Give ‚Em Enough Rope“ ist nicht sehr optimistisch. Vorbei ist die bissige/direkte Attacke des ersten Clash-Albums, als durch sorgfältiges Rausgreifen/Angreifen der Mißstände/Ziele Hoffnung auf Veränderung zum Ausdruck kam.
Diese Klarheit/Direktheit hat dem unklaren/verschwommenen Versuch Platz gemacht, die Gewalt, den Terror in der ganzen Welt zu beschreiben/ auszudrücken. Die Clash nehmen die Umwelt unter der Optik des Verfalls/ der Gewalt/ der Feindseligkeit wahr, nachdem sich an den (auf ihrer Debut-LP) angegriffenen Zuständen nichts verändert hat. Stichworte wie „guns“ und „drugs“ tauchen immer wieder in den Songtiteln auf; die Texte sind gekennzeichnet durch militärische Ausdrücke; Themen von Gangs und Kämpfen.
Leider nur allzu selten kommt dabei der Humor/ die Distanz zutage, die das erste Clash-Werk so belebt haben. Die vagen, konstanten Anspielungen auf Gewehre/ Gewalt/Drogen und Militarismus können durch ihre unklare Artikulation leicht den Touch eines Terrorismus- und Militarismus-Chic bekommen. Man erinnert sich an die Belfast-Photos, als ,sich die Gruppe neben schwerbewaffneten Soldaten aufnehmen ließ („Der Ego war mit uns durchgegangen“. Joe Strummer) und der Eindruck der Clash-Guerilleros entstand – „eine Beleidigung der dortigen Bevölkerung“ (Strummer). Das brachte sie auf Seite 1 des Melody Makers.
Diese mögliche, gefährliche Mißdeutung Auslegung der Clash-Texte und des Gruppen-Image wird noch unterstützt durch den schwer zu verstehenden Gesang und das Fehlen der Texte. Ok, der Gitarrist sagt, es sei Absicht, um den Leuten die Gelegenheit zu geben, ihre eigenen Vorstellungen/Wörter einzubringen. Dies mag notwendig sein bei Texten, die so angelegt sind, daß man seine Phantasie einbringen kann, eigene Passagen ergänzen kann, um eigener Vorstellungen/Erfahrungen bewußt zu werden. Bei Rolling Stones-Texten zum Beispiel. Die bizarren/finsteren Schmähschriften von Strummer, die äußerst schwer zu entschlüsseln sind, weil sie oft ungenau artikulieren, gehen allzu schnell in die falsche Ecke/Richtung los. Schock-Politik.
Zur Musik. Man hat die kurzen, einfachen Songs und den rohen, verwischenden Sound des ersten Albums (und der letzten Singles) zurückgelassen und einen transparenten/brillanten Ton erreicht. Denn hier hat Sandy Pearlman, Oystert Kult-Figur produziert. Für alle Heavy-Metal-Fans: ihr könnt euch wieder schlafen legen, denn der Clash-Sound bleibt der Clash-Sound. Dynamisch, vorantreibend, hart und attackierend. „Safe European Home“ ist die Krönung an Wildheit; der gesamte Sound bricht in voller Form durch: großartige Power-Akkorde zusammengeschweißt mit Topper Headons teuflischem unaufhörlichem Drumming. Und immer wieder der pumpende Baß von Paul Simonon. Die Gitarren sind so eingegliedert, daß ein verwüstender Effekt entsteht. Das wird bohrend deutlich beim Reggae-Break. wenn der Rhythmus-Part eine Atempause einlegt und Jones Gitarre den Reggae-Rhythmus hält. Der Song erzählt von Strummers/Jones Besuch in Jamaica, „where every white face is an invitation to robbery“, prägnant und ohne Selbstrechtfertigungsversuche.
„English Civil War“ ist eine rock-dramatische Verclashung des alten amerikanischen Civil-War-Songs mit einer düsteren Schock-Beschreibung der rechtsradikalen National Front-Power: „It was still at the stage of clubs an‘ fists When that well known face got beaten to bits/ Your face was blue in the light of the screen, As we watched the speech of an animal scream/ The new party army came marching right over our heads.“
Seite zwei eröffnet mit einem klassischen Who-Kinks-Riff. das im Verlauf von „Guns On The Roof immer wieder durchsticht. Dazwischen hängt ein „guns! guns!“-Refrain, den du nicht mehr aus dem Kopf kriegst. Eine ätzende Persiflage auf die Rechtssprechung: Strummer übernimmt die Rolle im Zeugenstand und schwört: „I swear by almighty god“. im Hintergrund der schlagende Gitarren-Break. „to tell the truth, nothing but the truth“ Wom! Das Feedback bricht los. Die zweite Spitze des Albums. Die Textpassage, die Strummer vorträgt, haut dich vor den Kopf: „A system built by the sweat of the many/ Creates assasins to kill off the few/Take any place and call it a courthouse/ This is a place where no judge can stand!“
Wut und Haß schlagen auch in „Drug-Stabbing Time“ durch, ein durch ein fettes Saxophon beschleunigter Rock-Song, wieder und wieder getrieben durch den vibrierenden Simonen-Baß. Hier beginnt musikalisch und textlich eine Fahrt in den Abgrund. „Stay Free“. wo Mick Jones singt und von einem Freund erzählt, der im Knast gelandet ist, tritt noch aufgrund der Aussage und eines klopfenden Basses hervor, doch bleiben „Sheapskates“ und „All The Young Punks“ in der Mittelmäßigkeit hängen. Dies liegt u.a. auch an Jones Versuch, sein Gitarrenspiel auszuweiten. Seine Gitarre ist am besten, wenn sie dicht/ kurz und scharf in die Ohren schlägt. „Give ‚Em Enough Rope“ muß sorgfältig gehört werden, und oft. Mit jedem Hören erfährt man mehr. Klarere Aussagen im Text und nicht so viel Verbissenheit würden aber beim Hörer einen möglichen Eindruck der „Kindergarten-Politik“ nicht aufkommen lassen.