Daughter

Not To Disappear

4AD/Beggars/Indigo VÖ: 15. Januar 2015

Ein 4AD-Album wie aus dem Lehrbuch: Die Londoner schauen bei ihren Indie-Folk-Songs noch häufiger aufs Schuhwerk.

Die Herausforderung für Daughter wird es immer sein, sich an The xx messen zu lassen. Ihr Zeitlupen- und Leerstellenpop spielt sich zwar klanglich in einem anderen Koordinatensystem ab, aber die Wirkung ist im Idealfall die gleiche: Gelingt Musik dieser Art, wird der Songtitel eines Tracks vom The-xx-Debütalbum Realität: „Heart Skipped A Beat“.

The xx erreichen diese Magie scheinbar spielerisch. Daughter hatten auf ihrem Debüt IF YOU LEAVE ein paar Stücke dieser Qualität, vor allem „Youth“ und „Smother“. Andere Songs funktionierten jedoch eher als Klangtapete für intensive Aussprachen und Tarot-Studien. Die Schwierigkeit: Es gibt bei Daughter keinen Jamie xx, keinen Klang- und Atmosphärenhexer. Daher muss das Londoner Trio allein auf seine Songwriting-Kunst bauen, auf Dynamik und Harmonien.

Und das gelingt auf dem zweiten Album deutlich besser. „New Ways“ hat zum Auftakt einen wunderbaren Spannungsbogen, das Arrangement führt tief hinein in den Märchenwald des Daughter-Labels 4AD, in dem früher die Cocteau Twins, Mojave 3, Red House Painters und This Mortal Coil die Pilze sammelten. „How“ intensiviert mit seiner Laut-Leise-Architektur diese Stimmung: Daughter wenden sich weiter vom spröden Indie-Folk ab, ziehen in Richtung Dream Pop und Shoegaze. Doch Sängerin Elena Tongra ist alles andere als schläfrig: In „Alone/With You“ disst sie einen geistesabwesenden Sexpartner: „I hate sleeping with you, just a shadowy figure with a blank face.“ Bei „Doing The Right Thing“ singt sie davon, nackig raus in die Sonne zu rennen. Aber wehe, die Nacht kommt – und damit der Gedanke an die verstorbene Mutter. Die Harmonien an dieser Bruchstelle zwischen Tag und Nacht sind himmlisch. Tatsächlich: Heart skipped a beat. Wie bei „Fossa“, eine Art Verzweiflungstwist im Elfenbeinturm der Einsamkeit, in dem auch Sigur Rós beheimatet sind. Es darf jetzt auch mal krachen bei Daughter. Das hatte auf dem Debüt gefehlt. Und das macht NOT TO DISAPPEAR zu einer noch besseren Platte.