Der Kampf geht weiter! von Harry Rowohlt
„Muß ich da wirklich im Berliner Literaturhous lesen?“ fragt Harry Rowohlt im März 1988 brieflich die Verlegerin Gertraud Middelhauve. „Noch dazu an einem Sonntag, wenn all die gruusigen Grün/ Alternativen ihre Gören mitbringen, anstatt sie zu verdreschen? Wenn Sie meinen.“ Drei Wochen später spickt der selbst der tegasthenischen Majorität als Penner Harry aus der Lindenstraße bekannte Übersetzer, untadelige Kommunist und fast unerreicht geniale „Zeit“-Kolumnist a. D. ein weiteres Schreiben, das sich größtenteils um die merkwürdigen handwerklichen Gepflogenheiten mancher Verleger dreht, mit einer jener vielen, unvergleichlich pointierten Abschweifungen, die dem zu Recht olympisch gerühmten Erzähler aufs Papier perlen wie gütiger Landregen auf die dürstende Krume: „Apropos Christ: Ein Türke hat vorgestern zu mir gesagt: ‚Mohammed hatte keinen Kühlschrank, er hatte Schiß vor Weiber(n), und nach zwei Bier war er besoffen. Da hast du den ganzen Islam.‘ Jetzt habe ich’s amtlich und konzis, was ich selbst immer diffus gedacht höbe.“ Zum 60. Geburtstag gibt es neben der gleichermaßen löblichen bis fabelhaft geratenen Festschrift „Der Große Bär und seine Gestirne“ dies Buch mit Briefen von und an Harry Rowohlt. Daß Rowohlt alles Recht der Welt auf seiner Seite weiß, wenn er saudummen Besserwissern und kulturbetrieblichen Spreizmeistern Bescheid gibt: „Es gibt eins, was ich gut kann: Nicht verlieren“, bestätigt uns beinahe jeder der „nicht weggeschmissenen Briefe“; und daß der noble und kolossale Vortragskünstler, Flann-O’Brien-Agitator und Vortrinker den angemessenen Ton anschlägt, sobald sich die allerfahlsten und -verschwiemeltsten Trübköpfe der Branche dicke tun, möge ein Leserbrief Rowohlts an die „Zeit“ belegen: „Raddatz, daß Sie ein dummes, unberatenes, abgebrochenes Ostzonen-Arschloch sind, das nie irgendwo ankommen wird, das ist ein alter Hut mit Krempe, aber daß Sie das sogar zum 65. Geburtstag von Robert Bernhardt vorführen, zeigt, daß Sie eine Tugend haben, die ich Ihnen nicht zugetraut hätte: Konsequenz.“ Rowohlt ist kein Rüpel. Er ist ein taktvoller, bisweilen zarter, nahezu immer wahrhaftiger und zu 97.4 % komischer Korrespondent. Das bezeugt, daß der Jubilar über eine alte, ehrenwerte Tugend verfügt: die Würde, die es ihm zudem erlaubt, Frau Middelhauves Redigierversuche zu kommentieren, wie sich das gehört: „Eden habe ich noch mal Ihre inkriminierten Beispiele betrachtet, und da muß ich sagen, daß ich, wenn ich ‚Gäb‘ es‘ mit Apostroph schreibe und ’scheints‘ ohne, mir dabei was gedacht habe. Ich hab keine Lust (und leider auch keine Zeit}, um so was zu kämpfen.“ Da hatte Rowohlt noch nicht fast 120, sondern gerade mal geschätzte 87 Bücher übersetzt. Soviel zu unserer Verlegerbranche. Und wen es nach Musikbezügen verlangt, der findet z. B. Roger Waters wieder – einleuchtend und in einer nie beschriebenen Situation beschrieben.
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