Der Tintenfisch und der Wal :: Von Monstern und Menschen

DER TINTENFISCH UND DER WAL läßt sich aus vielen Perspektiven betrachten – und ist aus jeder gut. Als fein beobachtete Komödie über ein jugendliches Brüderpaar, das von der für sie völlig überraschenden Trennung der Eltern aus der Bahn geworfen wird. Als ätzende Bestandsaufnahme einer New Yorker Intellektuellenfamilie im Augenblick ihres Kollapses. Als bittersüße Ballade über den Augenblick, in dem Liebe ein Schlachtfeld wird. Oder als Porträt eines der feinsten Arschlöcher der Filmgeschichte, das man doch nur zu gut versteht und irgendwie auch ins Herz schließt. Verdient hat das der selbstverliebte und destruktive Patriarch Bernard Berkman, ein einst gefeierter Schriftsteller, der es nicht verkraftet, daß es nun seine Frau ist, die literarische Erfolge hat, während er sich als Lehrer durchwurschtelt. Leiden unter seinem Leid müssen alle, mit denen er in Berührung kommt, vor allem aber seine Söhne – je schutzloser seine Zielscheibe, desto grausamer ist dieses Monster von einem Mann, den Jeff Daniels in der Performance seines Lebens als Opfer seiner selbst spielt. Der Regisseur ist Noah Baumbach. Vor DER TINTENFISCH UND DER WAL hat er drei nicht allzu tolle Filme gedreht, die es in Deutschland nicht zu sehen gab. Wenn, dann kennt man ihn hierzulande als Ko-Autor von Wes Andersons überkandideltem Die Tiefseetaucher; mit dem Filmuniversum seines Kollegen Anderson hat Baumbach nicht nur das Faible für drollige Verschrobenheit gemein, sondern auch ein essentielles Interesse an verkorksten Vaterfiguren. Aber Baumbach ist in seinem Film nicht so vage. Er meint es ernst mit seiner Komödie, sehr ernst sogar. Denn er erzählt eine Episode aus dem eigenen Leben. Als Teenager mußte er mit seinem Bruder mitansehen, wie die Ehe seiner Eltern – Literat Jonathan Baumbach und Filmkritikerin Georgia Brown – in die Brüche ging. Entsprechend kommt hier kein Gag ohne Wehmut aus, aber auch keine deprimierende Härte ohne befreienden Humor. Ob man der Tintenfisch UND DER WAL letztlich als bittere Komödie oder lockere Tragödie ansieht: So oder so ist festzuhalten, daß das Ende einer Liebe und all seine verheerenden Auswirkungen auf die Beteiligten in einem US-amerikanischen Film lange nicht mehr so exzellent analysiert wurden.

www.squidandthewhalemovie.com

Mit Jeff Daniels, Laura Linney, William Baldwin, Jesse Eisenberg, Owen Kline u.a.