Die Nuts – Selber

Sie kommen aus einer Stadt, die nicht eben im Verdacht steht, Deutschlands Popmusiklandschaft bisher nachhaltig bereichert zu haben: Altötting, dem bayerischen Proto-Wallfahrtsort, wo die Katholiken noch etwas katholischer und die Schwarzen noch etwas schwärzer sind als im Rest des Freistaats. Daß aus dieser Stadt eine aufmüpfige Rockband kommt, scheint aufs erste so plausibel wie ein High-Tech-Experte aus dem Land der Amish und ist deshalb schon mal per se interessant. Dabei haben die Nuts diesen Exoten-Bonus überhaupt nicht nötig, von Bedeutung ist der Herkunftsort der Nuts nur insofern, als daß ohne die Inspiration dieser unwirtlichen, feindlichen Umgebung Chef-Nuß Reimund Fandrey wohl nicht das tun würde, was er heute tut: mit seinen drei Kolleginnen Christa Latta (Orgel/Gesang), Rochus Boulanger (Bass, Tromete) und Hans Radlmaier hintergründig-lakonische, bissige und gefühlige Songs zu zimmern. In nie geschwatzigen, dafür um so durchdachteren, witzig-doppelbödigen Texten werden hier dramatische Wertewandel aufgezeigt (Aus ‚Keine Macht für niemand wurde Keine Macht den Drogen‘, Zitat aus: 10 lange Jahre‘), stets frohgelaunte ‚Gute Menschen‘ hämisch als moderne Spießbürger entlarvt, wird für den fröhlich dahinhoppelnden Ska ‚Halt dich an deinem Haß fest‘ (Abteilung „Praktische Lebenshilfe“) schon mal ein Zitat der Überväter Ton Steine Scherben ins Gegenteil verkehrt, und in der grandiosen Zyniker-Hymne ‚Ich hatte mal ’nen Freund‘ der Verlust der „sympathisch negativen Einstellung zum Leben“ eben desselben beklagt. Musikalisch stößt man in ein wahres Nest voller Ohrwürmer zwischen krachig-trashigem Indie-Rock, hiphop-erfahrenen Grooves und charmantem Tralala-Pop. IRGENDWAS FEHLT IMMER hieß das – ebenfalls feine – letztjährige Debüt der Nuts. Wer dies als Grundsatz betrachten will, der mag anfangen zu suchen, was auf SELBER fehlt. Herz und Hirn, Witz und Poesie, famose Melodien und Arrangements sind jedenfalls vollzählig erschienen.