Die Singles
Oh, eine ist schon ein bißchen schlecht geworden. Die von Toyya. Ihr „Rockin‘ This“, eifrigen VIVA-Sehern auch als herauf und heruntergespieltes Video bekannt, war ja noch ganz okay – oder lag das vielleicht daran, daß der Song in Verbindung mit dem Video, in dem die 22jährige Rapperin aus Fort Lauterdale halb nackt herumsitzt, -läuft und -tut, eine ganz andere Qualität gewonnen hat? Nein, Musikjournalisten lassen sich von sowas doch nicht irritieren: Der Song war ganz okay. Aber der Nachfolger „Uh-Ah“ (Epic/Sony Music) ist so tief (gründig), wie es sein Titel vermuten läßt. Das einzige, was die Nummer rettet, ist Toyyas Stimme, die wie eine Kreuzung aus Lil‘ Kim und Missy Elliott klingt. Was wiederum die wichtige Frage aufwirft: „Wieso haben um-die-zwanzigjährige Rapperinnen aus den Vereinigten Staaten von Amerika immer Stimmen wie 50jährige Puffmütter aus New Orleans?“
Eine Frage, deren Antwort uns wahrscheinlich auch Til Schweiger schuldig bleiben würde. Dem liegen nämlich ganz andere Sachen am Herzen. Sein neuer Film „Der Eisbär“ zum Beispiel, dessen „offizielle Single“ von Mandalay eingespielt wurde. „Beautiful“ (V2/Rough Trade) ist eine düster-gefühlige triphoppige Ballade des britischen Duos – der (göttlichen) Sängerin Nicola Hitchcock und des Programmierers Saul Freeman. vielleicht ist ja „Beautiful“ eine Spur zu massengeschmackig, aber gönnen wir Frau Hitchcock doch ruhig auch mal ein bißchen Erfolg nach mehr als zehn Jahren im Geschäft.
Wir schalten um nach Japan. Zu Buffalo Daughter, um genau zu sein. Die machen munter weiter mit 5-Track-Remix-Singles aus ihrem überall abgefeierten Album „New Rock“. Eingeweihte wissen ja, daß Buffalo Daughter – übrigens die derzeitige Lieblingsband von Jedermanns derzeitiger Lieblingsband Beastie Boys eigentlich keinen reinen Rock machen, sondern eine „bahnbrechende Mixtur aus Rock und Dance, satten Riffs und ausgefallenen Samples“, wie ein euphorisierter Schreiber mal auf diesen Seiten nicht müde wurde zu behaupten. Naja, „Socks, Drugs And Rock And Roll“ (Grand Royal/ Rough Trade), der relaxte,
Yoko-Ono-trifft-die-Beastie-Boys-und-die-treffen-The-Flying-Lizards-Song wird in den vier Remixen (Mike Nardone, Seif, Sample 208, Scratch-Pet-Land) nicht unbedingt besser. Alles fließt vorbei, aber der Stapel mit den Singles wird Gott sei Dank immer kleiner.
Wir wissen ja, wer Schneider TM ist. Ein HipYoung Thing, das jetzt Elektronik macht, um noch hipper zu sein, wenn es schon nicht jünger werden kann. Die neue Single: „Masters“ (City Slang/Efa) enthält zwei erwähnenswerte Remixe. Zum einen wäre da „I Dream Of Chomsky (High Llamas RMX)“, in dem Llama Sean O’Hagan all seine zirpende, fiepsende, allerliebste Kinderelektronik hineingetan hat. Der andere ist „Star(t) Fuck(ing) (Thurston Moore RMX)“, und der wird vom Sonic Youth-Mann mit verzerrten Gitarren und ätherischen Pianoklängen jenseits der Wiedererkennbarkeitsgrenze geschleift. Und dafür gibt’s heute zum ersten mal 5 Punkte.
Die nächsten Kameraden für eine vergleichbare Wertung könnten Red Snapper sein. „Image Of You“ (Warp/Rough Trade), eine düsterliche Ballade mit echten Violinen und Celli (schon mal was von 4 Hero gehört?) und der Jazzröhre Alison David (Life’s Addiction) kommt hier in fünf verschiedenen Edits und Remixen, von denen wir jetzt nur mal exemplarisch einen vorstellen wollen: den „Rae And Christian Remix“. Die Bearbeitung der britischen HipHop-Wunderkinder „groovt wie die Hölle“, um mal den alten Spruch von Dieter Bohlen zu recyclen. Hoffentlich verlangt er kein Honorar dafür.
Die nächste Kurzkritik ist dann wieder honorarfrei. Die Rede soll sein von der neuen Single der Jon Spence Blues Explosion, „Magical Colors“ (Mute/Intercord). Das Titelstück, eine scharfe, gospelige Rhythm ’n’Blues-Nummer, kennen wir ja schon vom famosen Album „Acme“,die anderen beiden Songs sind bislang unveröffentlicht. „Bacon“ ist ein supi Bluesrocker mit einem Streicherarrangement, bei dem dir die Spucke wegbleibt, und „Get Down Lover“ mit seinen ultra-ausgetickten Bläsersatzen klingt wie James Brown nach einem sechstägigen Horrortrip. Sorry, Jols, wenn schon Rock’n’Roll,dann wenigstens Jon Spencer.
So, Andrea, aufgepaßt, jetzt kommt die Fruit-Kritik. Fruit ist eine sechsköpfige Band aus Frankfurt am Main, die mit ihrem „Mr. Strawberry“ (Monitor/EMI Electrola) wieder mal den Rock rettet, indem sie ein „klassisches Rock Set-Up“ (mit Gitarren und so) mit zwei „Knöpfchen-Drehern“ paart. Also Techno, menschlich oder Rock, unmenschlich, wenn sie so wollen. Das kennen wir ja alles. Eine musikalische Revolution ist das nicht gerade, aber ein okayer Popsong allemal, dem – nicht zuletzt von der unterkühlten Stimme Catenia Quentins Leben eingehaucht wird.
Kann sich noch jemand daran erinnern, daß vor ein paar Monaten genau hier an dieser Stelle, am Ende einer der beliebten Singles-Rubriken nämlich,“The Rockafeller Skank“ von Fatboy Slim zur „Single des Jahres“ ausgerufen wurde und das Ding dann eine Woche später auf Nummer l (oder so) der Charts geschossen ist? Ja, hier werden Hits gemacht, meine Damen und Herren, und mal sehen, ob das nochmal klappt. Und zwar mit den Labelkollegen von Fatboy Slim, den Lo Fidelity Allstars. Deren „Battle Flag“ (Skint/ Epic/Sony Music) ist Big Beat aufsparflamme, ein bißchen subtiler als die HaudraufundschlulS-variantevon Fatboy Norman Cook.“Pony Pressure“ auf der „Flipside“ (sagt man doch noch so, oder?) ist eine housig-dubige Nummer und ob besserer Hooks der Gewinnertrack der Single, die ja nächste Woche auf Platz 1 der Charts stehen wird, wie wir alle wissen.
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