Distelmeyer strikes back mit neuen Stücken und Best-of-Nummern. Und Köln sagt: „Die Platte kauf‘ ich mir“. :: Deutscher Pop mit Anspruch
Intellektualität und glamouröses Auftreten schließen sich normalerweise nicht zwangsläufig aus. Hier schon: Nacheinander und scheinbar zufällig trudeln die vier Blumfelds auf der Bühne ein und legen unprätentiös los, ohne dass man wirklich schon so früh mit ihnen gerechnet hätte. Eigentlich soll es ja in den nächsten 90 Minuten um das zu diesem Zeitpunkt noch nicht erhältliche Album „Testament der Angst“ gehen. Aber Blumfeld wissen um die Sperrigkeit ihrer Musik und gehen daher lieber auf Nummer sicher, was die Fans und das neue Material anbelangt. Sie beginnen ganz vorne -erste Platte, erstes Stück: „Ghettowelt“. Ein ebenso überraschender wie gelungener Einstieg. Dem Statement von Jochen Distelmeyer, wonach „jeder geschlossene Raum ein Sarg ist“, scheint heute Abend, bei der Vorab-Präsentation der neuen CD in exklusiv anmutendem Clubgig-Rahmen, ein allzu makabrer Realitätsbezug innezuwohnen. Die Halle platzt aus allen Nähten, so dass Sauerstoff schon früh zum reichlich raren Gut und Bewegungsfreiheit zum Luxus wird. Immerhin bieten solche Umstände jede Menge Möglichkeiten, sich kennen zu lernen -hier bleibt keiner allein, der das nicht will. Während sich unten das Publikum schon längst unfreiwillig an allen möglichen Körperstellen berührt, wird es oben erst bei Song Nummer vier so richtig ernst. „Weil es Liebe ist“ gerät zu einem ersten Test an den Zuhörern, die an diesem Abend noch vier weitere Titel aus dem neuen Album zu hören bekommen. Vorher punktet der äußerst gut gelaunte Distelmeyer aber noch schnell mit schmeichelnden Lobeshymnen auf Köln und seine Bewohner. Sogar dem Karneval drückt er einigermaßen überraschend – seine Zustimmung aus. Danke, aber unnötig. Denn alle neuen Stücke funktionieren und gefallen, allen voran „Anders als glücklich“ und das anklagende „Die Diktatur der Angepassten“. Ein überzeugendes Konzert, das „Tausend Tränen tief“ und natürlich „Graue Wolken“ (inklusive eines eigens für das Solo mitgereisten Saxofonisten) ebenso umfasst wie die Hits der“Prä-Pop“-Zeit (z.B. „Zwei oder drei Dinge…“und eine zehnminütige Version von „Verstärker“). Fazit: Reichlich Zugeständnisse an die Fans; die Systemkritik, die ist jedoch keineswegs vom Tisch.
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