Diverse – The Ed Sullivan Years

Er ist der Urvater aller TV-Show-Präsentatoren. Seine Sendung, eine variationsreiche Mischung aus Top-Artisten des Variete, Film, TV und Musikbiz flimmerte mit ungebrochenem Erfolg zwei Dekaden lang über die amerikanischen Bildschirme. Von dem mittlerweile zur Institution gewordenen Ed Sullivan Theater in New York aus brachte Ed Sullivan einst Elvis, die Beatles, die Stones oder die Doors erstmals dem amerikanischen Publikum näher. Der ziemlich wertkonservative, aber auch clevere Sullivan erkannte schon früh, daß seine Einschaltquoten noch mehr in die Höhe gingen, wenn er den lukrativen Teenagermarkt mitbediente. So ließ er als erster Presleys Hüften kreisen. Taten wie diese weiteten sich im hyperrepressiven Amerika zu Skandalen ersten Ranges aus – und verhalfen der Show zu ungeheurer Popularität. In den Sechzigern war der stets korrekt gekleidete Ed eigentlich schon im Rentenalter, hatte aber wiederum die Nase vorn, als die „First British Invasion“ sich anschickte, amerikanische Mittelstandskids in wildrebellierende Hippies zu transformieren, die gegen Eltern, Vietnamkrieg und Gesellschaft aufbegehrten. Psychedelic- und Progressive-Rock fanden ebenfalls zuerst Gehör bei Sullivan, der oft nicht mehr von den Interpreten und Bands wußte als deren Namen und die spärlichen Infos auf seinem Spickzettel. Trotzdem war er den wenigen für Teenager konzipierten TV-Programmen weit voraus und verhalf-ob gewollt oder nicht – der kulturellen Revolution letztendlich zum Sieg. Konzessionen an das Establishment seitens Sullivans dienten eher dazu, allzu stürmische Wogen im damaligen Generationenkonflikt halbwegs zu glätten: ein genervt augenrollender Mick Jagger sang noch „Let’s Spend Some Time Together“ statt „Let’s Spend The Night Together“, Ledermann Jim Morrison hielt sich nicht mehr an die vorher getroffene Abmachung und offerierte mit sardonischem Grinsen „…Girl We Couldn’t Get Much Higher“. Solche Skandale machten die Show noch populärer, jeder wollte dabei sein. Ein Auftritt bedeutete eine garantierte Top-Ten-Plazierung. Denn was der entwaffnend höflich-tolerante Ed und sein Partner Topo Gigio, eine mit Italo-Akzent parlierende Mäusepuppe, regelmäßig am Sonntagabend vorstellten, war ein absolutes Muß.

Ein repräsentativer Querschnitt dieser musikalischen Juwelen, die teils live, teils auch zum Halbplayback dem Publikum im Studio und an den Bildschirmen kredenzt wurde, vermittelt eine insgesamt 25teilige Reihe. 16 Alben dieser Reihe, die auch die Genres Big-Band-Sound, Jazz, Musical, Oper und Comedy einschließt, sind, mit informativem Booklet und zahlreichen Originalfotos ausgestattet, jetzt erhältlich: Aus der TV-Steinzeit stammen ROCK’N’ROLL PIONEERS 1955-59 3 Sterne mit Jerry Lee Lewis, Fats Domino, Bill Haley & His Comets, Buddy Holly & The Crickets u.a. Die einige Jahre später konservierten RHYTHM & BLUES REVUE 4 Sterne und COUNTRY CLASSICS 4 Sterne mit einem allzu glatten Jackie Wilson, dem urwüchsigen Stakkato-Beat von Bo Diddley, „Coalminer’s Daughter“ Loretta Lynn und Country-Rebell Johnny Cash, sind, was die Tonqualität angeht, um Klassen besser. Die Rock’n’Roll-Neuzeit startet mit THE BRITISH INVASION 4 Sterne die legendäre britische Beat-Acts wie die Milchbubis Herman’s Hermits, die Liverpooler-Fraktion (The Searchers, Gerry & The Pacemakers) sowie die Newcastler The Animals mit längst in Vergessenheit geratenen Koryphäen wie Billy J. Kramer With The Dakotas oder Freddie & The Dreamers vereint. THE MOD SOUND 5 Sterne präsentiert allerdings nicht etwa The Who, Small Faces und Konsorten. Gemeint sind Vertreter des, na sagen wir, gehobenen Easy Listening, wie die singende Hippiekommune The Mamas & The Papas, ihr schwarzes Gegenstück The 5th Dimension, der schottische weiße Soul-Export Lulu, die Londoner West-End-Queen Petula Clark, die braven australischen College-Folksters The Seekers und Dusty Springfield, die nicht nur eine phantastische Version von ‚Son Of A Preacher Man‘ serviert, sondern sich auch als äußerst schlagfertig im Gespräch mit Sullivan erweist. Fast durchweg dem Land der Cowboys und unbegrenzten Möglichkeiten reserviert sind HAPPY TOGETHER – SIXTIES ROCK 5 Sterne und BORN TO BE WILD – ROCK CLASSICS 5 Sterne: Erstere widmet sich folk- und dylaninspirierten Bands wie The Turtles, The Lovin‘ Spoonful (grandios: ‚Darling Be Home Soon‘), den in Europa weniger bekannten The Grass Roots, The Association, Paul Revere & The Raiders und dem Psychedelic-Sound von The Chambers Brothers. Wesentlich härter und experimentierfreudiger klingen da die schwer orgelnden Vanilla Fudge, Bluesqueen Janis Joplin (mit dem raren ‚Raise Your Hand‘), der Akustikfolker Richie Havens und die noch rauhen Latino-Rock-Fusionen von Santana. Das Medley der Ur-Metaller Steppenwolf ist zwar ziemlich mißraten, dafür gaben Jefferson Airplane mit dem brillanten ‚Crown Of Creation‘ der Liga Gegen Antiamerikanische Umtriebe Diskussionsstoff. The Band klingen mit ihrem ‚Up On Cripple Creek‘ so, wie sich optisch in Szene setzten: rustikal harmonisch. Das Schlußlicht bildet eine kraftvolle Performance der einzigen Briten im Bunde: Ein noch weit von seinen heutigen Schmonzetten entfernter Joe Cocker und seine Grease Band zelebrieren majestätisch ihr ‚Feelin‘ Alright‘.