Dreck am Stecken – Auto Focus :: Start: 26.6.
Die einsamste Zahl, singt Aimee Mann, sei die Eins. Paul Schrader bringt jetzt die Zwei ins Spiel und hat gute Argumente. Viel trauriger und erbärmlicher als die Szene, in der der sexsüchtige TV-Star Bob Crane und sein Kumpel John Carpenter gemeinsam auf der Couch sitzen, sich über Nichtigkeiten unterhalten und sich zu Videoaufnahmen von sich und ihren letzten Fick-Bekanntschaften nebenher einen runterholen, geht’s nicht mehr. Richtig, Auto Focus erzählt zunächst einmal die Geschichte der obskuren TV-Berühmtheit Bob Crane, der als Star von „Ein Käfig voller Helden“ in den 6oern bekannt wurde, seinen Ruhm nutzte, Verehrerinnen im Dutzend flachzulegen, nach Absetzung der Serie keinen Fuß mehr auf den Boden bekam und schließlich mit 49 Jahren passenderweise mit einem Kamerastativ von unbekannt erschlagen wurde. Die Vita müsste außer den einen oder anderen TV-Archivar niemanden interessieren, aber Schraders zunächst trügerisch leichtes Biopic ist mehr als nur eine belanglose Fußnote: Die Chronik eines aus der Spur gelaufenen Lebens ist eine der präzisesten und eindringlichsten Beobachtungen über die Auswüchse heterosexueller Männlichkeit, die sich das Kino seit Jahren gestattet hat. Nicht von ungefähr beschreibt Schrader, seit seinem Drehbuch zu Taxi Driver ausgewiesener Spezialist für das männliche Wesen in freiem Fall. Crane als freundliche Version von Travis Bickle: der Taxler im Pastell-Cardigan mit festgetackertem Dauer-Lächeln, der gar nicht ahnt, dass er längst seinen eigenen Untergang eingeleitet hat. Langsam schraubt sich der reale Horror in diese zunächst bonbonbunte Komödie über den Saubermann mit Dreck am Stecken, der noch an seine heile Welt glaubt, als um ihn herum alles zusammenbricht. Unterstützt von Willem Dafoe in schmierigstmöglichem Scheißkerl-Mode läuft hier ausgerechnet Greg Kinnear zu Form auf, dessen Karriere als Talkshow-Moderator und semi-erfolgreicher Schauspieler manche Parallele zu Crane erkennen lässt. Anders als sein tragischer Kollege ist zumindest er aber im Bilde – in einem gestochen scharfen Film.
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