Einstürzende Neubauten

Das Subskriptionsmodell geht in Phase drei, alles wieder offen ist das dritte Album, das die Einstürzenden Neubauten an der Plattenindustrie vorbei im Verein mit der Unterstützergemeinde veröffentlichen. Es ist schon eine reizende Zweiklassengesellschaft, die die Neubauten da aufgemacht haben: So genannte Supporter finanzieren die jeweils aktuelle CD der Band und erhalten im Gegenzug dafür eine Luxusversion des Albums, die Möglichkeit, Entstehungsprozesse per Webcam zu verfolgen, mit den Bandmitgliedern zu chatten, sie werden mit exklusiven Tracks („Jewels“) via Download versorgt und vieles mehr. Die Speisung der Restwelt erfolgt per Basisprodukt (Digipak, Booklet mit allen Texten heißt das bei den Neubauten). Was uns erwartet, kann sich trotzdem hören lassen: zehn neue Tracks aus dem Labor für katatonische Umtriebe und Ungewisse Unterhaltungskunst. Im Bandjahr 27 haben die berlinerischen Recken sich noch einmal aus ihrem eigenen Referenzspektrum entfernt. Man hört das in den ins Surreale driftenden Naturbeackerungsstücken („Nagorny Karabach“), im esoterischen Feuerzauber „Susej“ mit Original-„Ajulehlah“-Chor, im stampfenden Blues „Let’s Do It A Dada“, in dem John Heartfield, Kurt Schwitters und Lenin zum leckeren „Hülsendada“ verkocht werden. Die dampfende Dada-Ode demonstriert die Lust an der wiedergefundenen Offenheit, der Erweiterung dessen, was man von den Neubauten erwarten darf. „Lass dir nicht von denen raten / die ihren Winterspeck der Möglichkeiten / längst verbraten haben.“ Singt Blixa uns jetzt den Appell, der fortschreitenden Feuilletonisierung des Unternehmens Neubauten Einhalt zu gebieten? Spielen Bargeld, Hacke, Unruh, Moser und Arbeit sich aus dem Wendekreis der Avantgarde mit den Mitteln der Avantgarde? Dieses Album ist auch als Antwort auf Ende Neu (1996) zu lesen – auf einer mit allen Extras ausgestatteten 53-Minuten-Erlebnisstrecke bespiegeln die alten Herren des Umschwungs ihre eigene Eitelkeit und erzählen vom Hier & Jetzt im Jahr 2007: „Fs ist alles wieder offen / Die Wunde und das Herz / Das Gesicht / Die Kirche / Die Gesellschaft und der Staat / Das Mikrofon / Der Himmel / Die Partnerschaft /Das Wort / Der offene Vollzug.“ Nur den Supportern erzähle ich jetzt nichts Neues, nämlich, dass diese Worte bei den neuen Neubauten auf einer Electro-Pop-Welle surfen, ganz entspannt und elegant. Supporter sind ihrer Zeit voraus, sie hatten einiges aus Phase drei ja schon in Phase zwei auf dem Schirm.

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