Emmylou Harris – Quarter Moon In A Ten Cent Town

Die schönste Dame der Country Music präsentiert ihr viertes Album. Produziert von ihrem Angetrauten, Brian Ahern, und begleitet von ihrer zu Recht vielberühmten Hot Band: Albert Lee (Leadgitarre), Glen D. Hardin (Piano), Hank DeVito (Steelgitarre), Rodney Crowell (Rhythmusgitarre), Emory Gordy (Baß) und John Ware (Schlagzeug). Auch Lees Vorgänger, der legendäre James Burton, ist auf einigen Songs zu hören, und die früheren Mitglieder von der Band, Garth Hudson und Rick Danko, greifen für einen Titel zu Akkordeon und Fiedel. Glasklar die Produktion, makellos Gesang und Instrumentierung, über allem jedoch das etwas frostige Flair routinierter Perfektion.

Mehr denn je wirkt Emmylous Stimme wenig engagiert und distanziert, viel Spaß an der ganzen Angelegenheit scheint sie nicht gehabt zu haben. Selbst die Melancholie mancher Lieder kommt aufgesetzt und gequält daher. Das Hauptmanko der LP scheint mir in der Songauswahl zu liegen. Miss Harris‘ Fundus an Gram Parsons-Komposition ist offenbar erschöpft, denn nicht einer seiner Songs taucht hier auf, und das Beatles-Repertoire bietet ihr anscheinend ebenso wenig Reiz wie Chuck Berrys Geniestreiche, von denen bekanntlich „You Never Can Tell“ auf „Luxury Liner“ eine exzellente Interpretation erfuhr.

Mit den beiden Songs von Jesse Winchester (seit kurzem auch unter den Produktionsfittichen von Brian Ahern), „Songbird“ und „Defying Gravity“, war Emmylou Harris meiner Meinung nach nicht gut beraten, die Versionen von Winchester und Jimmy Buffett sind wesentlich spannungsreicher. Das Übermaß an durchschnittlichem Country-Material macht diese Platte zur schwächsten, die Emmylou Harris bisher veröffentlicht hat. Das ist natürlich eine sehr persönliche Behauptung aber ein so müdes Duett wie „One Paper Kid“ (mit Willie Nelson), oder die fade Version von „Burn That Candle“, 1955 von Bill Haley mit reichlich mehr Elan gebracht, können mich kaum begeistern. Auch ein guter Song wie Delbert McClintons trotzig-resignierte Liebesklage „Two More Bottles Of Wine“ hätte eine aggressivere Interpretation verdient.

Drei Songs allerdings machen einiges wieder gut: das wunderbar sanfte und melodische „Easy From Now On“, das alle Qualitäten von Emmylou und ihrer Hot Band offenbart (außer, daß sie auch rocken kann), sowie Rodney Crowells locker swingender Cajun Waltz „Leaving Louisiana In The Broad Daylight“ und als Krönung Dolly Partons herzbewegende Ballade „To Daddy“, die auf meiner Wertskala fast „Poncho And Lefty“ von „Luxury Liner“ erreicht. Alles in allem ein unausgeglichenes Album, dem ich allein wegen der drei letztgenannten Songs mehr als zwei Sterne gebe.