Erdmöbel

Hinweise zum Gebrauch

Jippie! Industrie/ Rough Trade

Erinnerung an das Mixtape, abgebrochener Geburtstagsgruß, Tutorial für Fake-Tränen mit schönsten Flötentönen – der Litpop der Kölner Band lässt unsere Ohren weit aufploppen.

Dass man die Zusammenhänge in der Welt, „das, was gerade in der Luft liegt“, wie die Band es aktuell ausdrückt, aus dem Zusammenspiel der Laute, aus den Türmen, die die Worte bilden, entdecken kann, das ist auch die Entdeckung der Band Erdmöbel. Immer schon gewesen, auf ihren von Mal zu Mal besseren Alben. Es geht ja um aktuelle Verortungen, wenn Deutschlands Litpopband Nummer eins wieder auf neuen Tönen und Worten zu drehen beginnt. Das (auch mit reichlich Kritik bedachte) Video zur vorab ausgekoppelten „Hoffnungsmaschine“ war insofern ein „Showstopper“, ein weniger wortstarkes und mehr romantisches Stück Come-together-Pop auf der Folie eines stadtpolitischen Aufregers. Die „Hoffnungsmaschine“ bleibt das einzige zu dick aufgetragene Element unter diesen zehn mehrheitlich elegant kurvenden Midtemposongs, die auch mit Bläsern gut auskommen.

Schon der erste Beitrag macht „plopp“ in unseren Ohren, mit ein paar Zeilen, die einen Roman im Kopf entstehen und angemessen feierlich über Gitarre, Bass und Drums rollen lassen: „Es ist Dämmerung, als ich es dir geb’. Was ich nicht sagen kann, sagt dir mein Mixtape. Ich Punkrock und du das Grüner-Apfel-Shampoo. Du Stadtverwaltung, ich bleibe jung.“ Das knapp neunminütige „Tutorial“, das Sänger Markus Berges zwei Stücke weiter all den „wunderbaren Leuten“ zur Abbildung von Gefühl respektive der Produktion von Fake-Tränen verabreicht, ist ein Gedicht. Die schönsten Flötentöne katapultieren den alltäglichen YouTube-Wahnsinn in das Pop-Fantasieland eines Ennio Morricone, dort werden prosaische Worte zu psychedelischen Drogen.

In der „Veloso Bar“ im Anschluss wird ein angefunkter Bossa Nova geboten, und das Mädchen, in das alle irgendwie verliebt waren, sollte eine Fata Morgana des „Girl From Ipanema“ sein. Zum Finale kommt der Song zum Coverstar: „Barack Obama“ beginnt mit dem Grammy-Gewinner Al Jarreau, der auch mal für den Präsidenten gesungen hat. Das könnte jetzt auch ein Stück von Neil Youngs HARVEST sein, Berges aber übersetzt Americana in ein deutsches Klangbild, so lyrisch hat noch kaum jemand Städtenamen vertont. Es gibt dann auch noch einen Beatle-esken Song namens „Svenja und Raul“, der von Liebe und Verlust handelt und einen Geburtstagsgruß mittendrin abbricht. Wer jetzt noch nicht irritiert ist, hat die Platte gar nicht richtig gehört.

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