Album der Woche

Father John Misty

Pure Comedy

Bella Union/PIAS/Rough Trade

Der Father in seinem bislang drastischsten Akt: mit existentialistischer Klaviermusik gegen das System – manchmal auch nur, weil‘s entertaint.

Das Schöne an der Figur Father John Misty, das ist allseits bekannt, ist das nebulöse Wechselspiel von Ironie und Wahrhaftigkeit. Wie ernst meint dieser Mann es, wenn er im Title Track „Pure Comedy“ vom Menschen als gottloses Tier singt, und just bei dieser Textzeile im dazugehörigen Musikvideo Donald Trump und ein fanatisch applaudierender Hohlkopf-Amerikaner eingeblendet werden? Für die einen mag das eine glasklare politische Positionierung sein, für alle anderen muss das mindestens als gekonnt kritische Andeutung mit Tendenz zum anwidernden Witz durchgehen.

Ja, was ist nur aus uns Menschen geworden? In was für einer Welt leben wir eigentlich? Und wie kann es sein, dass wir lieber unser digitales Ich in sozialen Netzwerken polieren, anstatt uns mal zur Abwechslung am Real Life zu beteiligen, und die Welt von Religionskriegen, Populisten und den Folgen des Klimawandels zu erlösen? All diese grundsätzlichen Fragen zu unserem Dasein, die sich ganz nebenbei doch jedes intelligente Individuum mindestens einmal im Leben stellen sollte, scheint Josh Tillman mit seinem dritten Album anreißen zu wollen.

Das ist jedenfalls eine der möglichen Lesarten von PURE COMEDY. Eine andere, ähnlich offensichtlich und doch grundverschieden, ist diese hier: Die Menschheit ist urkomisch! Man erträgt sie nur, indem man sich ihrer Lächerlichkeit bewusst wird. Wer dafür grundsätzlich offen ist, dem ist Father John Misty zur weiteren Verinnerlichung gern behilflich: Er predigt seine Beobachtungen mit schmissigen Klaviermelodien und dramatischer Orchestrierung, durch die man den Sinn für manch unscheinbaren Gitarren-Folk-Moment auf der Platte gnadenlos verliert.

PURE COMEDY provoziert Ungeduld. Weil es ständig und dringlich aus allen Himmelsrichtungen allerlei Crescendi rattert, mal von den Streichern, dann drängt sich der Gesang auf, und plötzlich schalten sich auch noch die Bläser ein. Das Gefühl von Ungeduld, manchmal sogar von Unwohlsein stellt sich ein, weil man all die wichtigen Fragen gefälligst beantwortet bekommen will. Und Antworten kann Tillman natürlich nicht liefern. Wer an dieser Stelle nun tiefe Unbefriedigung verspürt, dem sei gesagt: Das ist ganz normal. Das muss so sein. Father John Misty fühlt das Gleiche, deshalb singt er schließlich so ausgiebig davon.

Und was können wir tun? Uns diesem Mann und all seinen klugen Gedanken – mögen sie uns in einem Moment noch so bierernst und im nächsten wieder zutiefst ironisch vorkommen – hingeben. Danach wollen wir sicher die Welt verbessern. Oder einfach nur überragend klug entertaint werden.