Fela Anikulapo Kuti – Black President

Wenn ich mich nicht verzählt habe, dann ist BLACK PRESIDENT wohl schon das 23te Album eines Musikers, dem vor allem sein Kreuzzug für ethnische Stammes-Bräuche eine ganze Serie mehr oder weniger hochstilisierter Anekdoten, polemischer Essays und Sensationsstorys in der europäischen Presse eingebracht hat. Solchen, oft hahnebüchenen, Boulevard-Übertreibungen ist es dann auch zu verdanken, daß Fela’s spektakuläre Massenheirat mit 27 ausgewählten Haremsdamen bekannter sein dürfte als sein künstlerisches Schaffen.

Fela Kuti’s Laufbahn vom Ganja-Advokaten bis zum (suspendierten) Präsidentschaftsanwärter in Nigeria ist zum Verständnis seiner Musik von elementarer Bedeutung. Es ist der Werdegang eines einstmals politisch desinteressierten Musikfakultätsaspiranten, der im Konflikt mit der, nach kolonialistischem Vorbild funktionierenden Zweiklassengesellschaft, allmählich sein tribalistisches Nationalbewußtsein findet. Je härter ihn die gesetzlichen Repressionen und Boykottversuche treffen, desto unnachgiebiger wächst sein Aufbegehrungsbedürfnis und selbst das verheerende Blutbad, bei dem seine Kalakuta-Republik bei Lagos praktisch dem Erdboden gleichgemacht wurde, konnte den passionierten Regimekritiker nicht mundtot machen. Nach jedem von Regierungsseite iniziertem Attentat verschärft sich sein Tenor, jede Aktion der Behörden wird postwendend mit einem noch unversöhnlicherem Album honoriert. Fela’s Manifeste haben für das neuzeitliche Afrika einen ähnlichen Stellenwert, wie die epochale Aufbruchsstimmung der Black-Power-Periode für die farbige amerikanische Ghettojugend. Seine Platten sind Agitationsmetaphern wie einst Malcolm X‘ flammende Black-Liberation-Pamphlete.

BLACK PRESIDENT ist Fela’s bislang klarste Stellungnahme gegen Kulturimperialismus und staatliche Gewalttätigkeit. Das Stück I.T.T. international thief thief nimmt die ganze zweite Seite in Beschlag; einbrodelndes, an- und abschwellendes perkussives Feuerwerk, in dem sich die halluzinatorische Gleichmäßigkeit der Rhythmen mit zeremoniellen call and response Wechselgesängen kreuzt und schließlich das Intensitätslevel eines besessenen Kriegstanzes erreicht. Der pulsierende Afrobeat, in dem nigerianischer Highlife, jazzige Intermezzo und Funk-Synkopen ineinanderfließen, wirkt bei BLACK PRESIDENT gestraffter und homogener als bei Fela’s vorangegangenen Alben. Und gerade der Verzicht auf übertriebene solistische Spielereien zugunsten eines relativ einfach strukturierten, ausbalancierten Rhythmusteppiches, der von repetiven Bläsersätzen punktiert wird, ist die effektvolle Plattform für seine Botschaft.

Fela Kuü repräsentiert ein Stück afrikanischer Gegenkultur, sein immer tanzbarer Afrobeat vereint kultischen Religionalismus mit emanzipiertem Selbstbewußtsein zu einem magischen Ritual. Vielleicht gehen seine Präsidentschaftsaspirationen ja im Wahljahr 83 in Erfüllung.