Frequency Festival, Salzburgring, Österreich

Wie immer kübelt es beim Frequency aus vollen Bächen. Aber immerhin lassen sich die Regenwolken bis Samstag Zeit, so dass am FREITAG die obersten sonnenverbrannten Schulterhautschichten diverser Autogrammjägerinnen am musikexpress-Zelt abblättern können. Erst sich im hochamüsanten Set der Wombats von Wuschelkopp Matt Murphy bezirzen lassen, dann von ihm einen Beutelsäuger um den Bauchnabel pinseln lassen: that’s life! Ungeschlagene Könige der Signing Sessions waren The Dresden Dolls, die direkt nach ihrem rampensäuischen Vortrag rüberpilgerten – mit ihnen eine Hundertschaft Fans, die Amanda Palmer mit Megaphon präzise instruierte, wo sie Band-Merch finden: „Somewhere over there!“ Beim Nachrecherchieren stört uns doch glatt Paul Smith, der so routiniert und aalglatt herumposiert, dass man sich wundert, dass Maximo Park erst zwei Alben draußen haben. Dafür verhunzt Smith dieses Mal nicht den Jahrhundertsong „Books From Boxes“ mit einer leicht anderen Gesangslinie. Travis‚ Fran Healy dagegen gibt sich ungewohnt angriffslustig. Genervt von seiner zu leisen Monitorstimme, lässt er seine Fender fallen und animiert überambitioniert die Crowd: „Is this a bungy?“ Egal, spiel endlich „Why Does It Always Rain On Me?“, wenn es schon extra für euch zu schiffen begonnen hat! Und um der Vorhersagbarkeit die Krone aufzusetzen, eröffnen R.E.M. mit… na? Genau, mit: „What’s The Frequency, Kenneth?“ Als der ungeschminkte Stipe und seine beiden Bäuche Buck & Mills beim Durchpflügen ihres Best-Of-Programms bei „The One I Love“ angelangen, hat sich die Senke des Salzburgrings längst mit herber Landluft gefüllt, und wir wissen: Hier sind wir tausend Mal besser aufgehoben als bei den schnöden Four-to-the-Floor-Beats von Digitalism.

Am SAMSTAG präsentiert sich das angekündigte Schietwetter in all seiner Garstigkeit: Fast den ganzen Tag bleiben die Himmelsschleusen geöffnet. Dabei haben es die Chinesen mit ihrem Silberjodid doch vorgemacht – und wer hat nicht aufgepasst? Die Ösis. The Roots haben in Sachen R.O.C.K. sehr wohl aufgemerkt: „You Got Me“ blähen sie zur überlebensgroßen Jam-Nummer inklusive Santana- und Slash-Soli auf. Noch schnell den „Immigration Song“ zwischenrein geschoben, und schon wummern wieder Owen Biddle und Dämon „Tuba Gooding Jr.“ Bryson mit den tightesten Bass- und Tuba-Läufen, die das Frequency je vernommen hat. Da staunt selbst Carl Barät am Bühnenrand, dem hernach mit seinen Dirty Pretty Things nur noch übrig bleibt, sich gepflegt einen vom Leder zu schrammein. Mittendrin schleicht sich Kumpan Adam Green auf die Bühne und zeigt die ungelenksten Dance-Moves ever. Respekt. Kurz nach Acht heißt es dann: Willkommen im Clockwork Hives! Die Schweden hämmern ihre Powerchords wie ein gut geöltes Uhrwerk und geben sich gewohnt großspurig:

„We re gonna play two or three more songs-and after that the rain will be gone!“ Pustekuchen. Wenn Pelle nur einmal halten würde, was er da oben erträumt. Dennoch stellt sich die Frage, wie die Nordlichter vor den Manic Street Preachers im Line-Up landen konnten. Um mit dem Hives’schen Hitpotenzial mithalten zu können, muss James Dean Bradfield gleich mal den Evergreen „Motorcycle Emptiness“ auspacken. Da fahren wir doch lieber total runter – bei Iron &. Wine. Deren gravitätischer Folk-Rock ist genau das Richtige nach den Hochstromschweden, und als ob Sam Beam etwas dafür könnte, entschuldigt sich der Rauschebart für das miese Wetter, das wiederum für unsere Flucht vom durchaus gut aufgelegten Crooner Adam Green herhalten muss. Mustergültig durchnässt, vermag uns nur mehr die Warm-Up-Mucke von Richard Cheese („Freak On A Leash“ und „Nookie“) zu erwärmen.

Das ganze Ausmaß des Regens zeige sich erst am SONNTAGmorgen: Scharen aufgeweichter Frequency-Besucher desertieren von den zu matschigen Äckern gewordenen Camping- und Parkwiesen zu den Shuttlebussen, während Traktoren festsitzende Autos aus der braunen Pampe ziehen. Auf dem Gelände setzen sich die Auflösungserscheinungen fort, wo merklich weniger Gedränge vor den Bühnen herrscht. The Subways stört das nicht, die ziehen ihre testosterongeschwängerte Rockshow durch. Brauchen wir nicht unbedingt, drum weiter zu Get Well Soon, den wir leider nicht antreffen, sondern Itchy Poopzkid, die sogar The Hives an Größenwahn übertreffen, indem sie zum Richard-Strauss-Intro („Also sprach Zarathustra“) einmarschieren. Was für ein Täuschungsmanöver! Eine Stunde später brummt „If This Hat Is Missing…“ herrlich doomig durch die Boxen, was die Stimmung auf dem niederschlagsmüden Areal auf den Punkt bringt: „This town, we will end it cause life ain ‚t got no future.“Das hat sich wohl auch Pete Doherty gedacht, der mal eben den Flieger verpasst. Also gibt’s heute keine Babyshambles. Bleiben die umjubelten The Killers, die leider ein Foto-Verbot verhängen, aber dafür den neuen Song „Spaceman“ preisgeben: eine klassische Killers-Hymne und würdiger Vorbote des für November angekündigten dritten Albums.

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