Heinz Rudolf Kunze – Ausnahmezustand

Ein Mann stellt sich quer; Ausgerechnet mit dem Opener wirft er uns den zähesten Brocken hin. „Der Anruf“, musikalisch schwer Verdauliches aus dem Computer – falsch verbunden?

Ein leichter Reggae bringt die Welt danach wieder ins Lot, bis Kunze vors Mikro tritt: „Scheidung? Das will er eine Nacht überschlafen/ Scheidung. Sie läßt seine Nächte überwachen/Er ist lebensmüde/Sie nimmt Schlaftabletten.“ So kalauert er sich durchs Ehebett.

Richtig hart kommt’s im nächsten Song. Das Päckchen vom Erotika-Versand findet die Witwe erst nach der Beerdigung; er hat’s noch vorm Ableben geordert. Exitus statt Coitus: „Meine Wünsche haben nichts zutun mit dir/Meine Wünsche haben nichts zu tun mit mir“ und die Zuhörer haben auch diesmal wieder nicht viel zu lachen.

Wer Heinz Rudolf Kunze vorwirft, in Problemen zu schwelgen, hört nicht hin: Daß manche Songs die anheimelnde Atmosphäre von Kühlhäusern ausstrahlen, bezeugt das Fehlen von Pathos und Weinerlichkeit. „Doch man kommt sich schnell abhanden/Wenn man jede Nacht öffentlich weint“ heißt es in „Glaubt keinem Sänger“, einem Lied über die Lust der Liedermacher-Kollegen am Weltschmerz.

Wer weiß – vielleicht herrscht bei Kunzes demnächst des Ausnahmezustand in Form des ersten Single-Hits: Mit gewohnt sprachlicher Brillanz, einem gelungenen Arrangement und etwas Fritten Duft im Anzug hat er „Lola“, den Kinks-Hit, gecovert. Die Story von der Lady, die ein Kerl ist, – diesmal in der Imbißbude: „Girls heißen Alf und Boys heißen George/Nicht nur in London sondern jetzt auch schon in Dortmund-Nord“.