Herbie Hancock – Sunlight
Wozu eigentlich ist dieser Musiker noch in der Lage? Er hat im Jazz wichtige Akzente gesetzt, dem Jazz-Rock als einer der Anführer dieses musikalischen Genres entscheidende Impulse gegeben. Alles schaut in seine Richtung, Rock-, Pop-, und auch natürlich Jazz-Musiker. Was er macht, löst oft Trends aus. Kompositionen wie „Watermelon Man“, „Chamaelon“ oder „Mayden Voyage“ sind Klassiker, die sich auch im Repertoire von Unterhaltungen/Big Bands finden. Und doch bewegt sich Herbie Hancock oft auf einem Grat, der es gerade noch zuläßt, ihn bei der Jazz-Abteilung einzuordnen. Ihm dabei eine gewisse musikalische Konsequenz abzusprechen, sei jedem individuell belassen. Aber höchstens Jazz-Puristen werden etwas verbissen reagieren, wenn sie speziell dieses Album vor sich haben.
Musikalisch wandert Hancock wieder auf besagtem Grat. Seine Kompositionen sind von der Melodieführung her schon fast leichte Unterhaltungskost. Und trotzdem kann man ihm nicht absprechen, daß dieses Album vielleicht einer seiner größten Geniestreiche ist. Denn bei „Sunlight“ ist die Verpackung der Musik in Arrangements und Synthesizer-Tüfteleien das auffälligste und das, was diese Platte äußerst wertvoll macht. Hancock sitzt, einer Primadonna gleich, in einem Arsenal von Synthesizern und Tastaturen, mit denen er in der Lage ist, seinem jüngsten Opus einen fast symbolischen Charakter zu geben. Dabei fällt wiederum auf, daß seine Zaubereien nicht in Bombast ausarten, sondern immer wieder durch eine äußerst feinnervige Subtilität den Zuhörer quasi umspinnen, sodaß es fast unmöglich ist, von dieser Musik nicht fasziniert zu sein. Gewiß, es gibt dezente Anklänge an Disco, einen leichten Hauch von Pop, doch nie artet dieses Spektrum zu einer Klangsoße aus, die dem Zuhörer aus dem Griff entschwinden könnte. Hancocks Musik ist eindeutig, linear, klar durchschaubar, somit leicht verständlich. Hier muß man sich nicht 40 Minuten lang durch überarrangierten Jazz quälen, um die Essenz zu sehen; sie wird einem oft serviert. Sehr interessant ist dabei der Einsatz von Hancocks Stimme, die unser Mann nicht mit Hilfe abgedroschener Seat-Phrasen in seine Musik integriert, sondern durch mehrere Synthesizer gefiltert als vollwertiges Instrument einsetzt. Worte sind ihm dabei nicht im Weg, sondern bekommen einen ganz neuen Wert innerhalb einer Komposition: Sie werden zu einem Klang; der Inhalt spielt keine Rolle mehr.