HGich.T :: Lecko Grande

Tapete/Indigo

Ist Grenzdebil das neue Cool? Oder: Eine Einladung zur Selbstreinigung. Die Hamburger Kunststudenten suchen so etwas wie das kollektive Haaresträuben in ihrer primitiven Technosause.

Regellos und jenseits unserer Konditionierung soll das sein, was das Hamburger Kunststudenten-Konglomerat seit zwei, drei Jahren auf die Bühne und auf Platte bringt. Darauf hatte sich die Kritik in einem Akt konsensuellen Staunens bereits geeinigt. Man kann das Video- und Pop-Art-Spektakel von HGich.T aber auch noch aus einem anderen Blickwinkel betrachten: Es stellt den aktuell engagiertesten Versuch dar, in der Aufmerksamkeits-Ökonomie der Lady-Gaga-Ära zu bestehen – mit selbst choreografierten Schlammtänzen zum Hype-Hit „Hauptschuhle“, analfixiertem Gegeifer und kruden Penis-Shows. Kunstmagazine und Feuilletons sind drauf angesprungen, und das HGich.T-Video zu „Tutenchamun“ wurde auf YouTube schon eine Million Mal angeklickt. Der Erfolg gab dem Irrwitz recht, in der primitiven Technosause hatten die Musiker aus Hamburg eine Plattform für ihre Trips in die Regression gefunden. Hier und heute werden „Die letzten Titten von Betlehem“ und „Diddel, der Mäusedetektiv“ gegeben, der jeden Fall löst. Und später wird alles in der „Klospülung“ verabschiedet. Es ist ein Scheißdrauftheater mit seltsamen Klavier-Breaks, Gelaber und Gejohle und natürlich jeder Menge Hintersinn. Sollen sich uns doch kollektiv die Haare sträuben, Lecko Grande ist eine Einladung zur Selbstreinigung – oder zum Selbermachen. Mit „Maikes Kneipe“ steht jetzt ein richtiger Bollerhit am Ende des Albums, den man sich sogar in „Inas Nacht“ vorstellen kann, vom ARD-Publikum im Bierglück gegrölt. Der Schaum vorm Mund tut sich noch einmal im Zwei-Minuten-Hörspiel mit dem Schlingensief-Schauspieler Dietrich Kuhlbrodt auf: ein geiles Stück über das Gegeile, das nur Max Goldt noch geiler hingekriegt hätte. Das Infantile bleibt der Ankerpunkt in den Tracks von HGich.T, die vielleicht ja auch nur ein bisschen spielen wollen, wie der Hund, der den Passanten aus lauter Aufregung gebissen hat. „One two three, Tittenpower, öh, öh, öh.“ „Widdewiddewittbummbumm Arsch, mein Arsch ist noch ganz locker.“ Ist Grenzdebil das neue Cool? Die Musik von HGich.T soll laut Beipackzettel des zuständigen Labels auf jeden Fall die Synapsen des Hörers freipusten. Man wird diese Platte mit einem Lächeln quittieren dürfen, stellt sich nur die Frage, ob dieses Lächeln eher mitleidig oder freudig konsterniert ausfallen wird.

Key Tracks: „Maikes Kneipe“, „Ich liebe dich, egal, ob du 16 bist“, „Der Haken“

CD im ME S. 19

Ital