Iggy Pop von Paul Trynka :: Der Mann, der unser Hund ist

61 Jahre Rock'n 'Roll - das unglaubliche Leben der Verkörperung des (anderen) amerikanischen Traums.

Wenn dereinst in historischer Rückspiegelperspektive der Lebensenrwurf Rock’n’Roll auf einen Namen zusammenschrumpft, wird dieser Name – sorry, liebe Elvis-, Rolling-Stones- und andere Anhänger – Iggy Pop lauten. Freilich hat James NexveU Osterbergjr. es nicht erfunden, das wilde Leben zwischen Drogen, Sex, Ekstase, Erleuchtung, Selbstvernichtung und drei Akkorden. Aber gelebt, da werden sich die Historiker einig sein, hat es niemand je so konsequent wie er, Iggy, der Unverwüstliche, der zu gewissen Zeiten so überzeugt schien, er könne sich unbeschadet von einem Panzer überrollen lassen, dass er sich in Situationen begab, die einer solchen Behandlung zumindest nahe kamen – zum Beispiel am 9. Februar 1974 beim letzten Auftritt der ersten Stooges-Phase in Detroit, verewigt auf dem Album metallic ko und in diesem Buch einleitend und eindringlich beschrieben als Tiefstpunkt im Leben von fünf Menschen, die sich einmal ganz was anderes erträumt hatten und nun mit beispielloser Sturheit dabei waren, den gefledderten Rest ihrer Träume so zu zertrümmern, dass nichts davon übrig bliebe. Es ging allen Denkbarkeiten zum Trotz danach für Iggy Pop noch weiter runter, und es ging wieder aufwärts und wieder bergab, seitwärts und sonst wohin, und dass hinter dem ganzen Wahnsinn ein hochintelligenter Mann steckt, dessen „ungekünstelte, liebenswürdige Art an James Stewart erinnert“, der „warmherzig, lebendig, scharfsinnig und witzig“ über Brecht, Avantgarde, Tai-Chi und die altgriechische Mythologie sprechen kann (und als Schüler US-Präsident werden wollte), hat nicht nur seinen zeitweiligen Produzenten Don Was (der an dem Versuch, Iggy zu verstehen und zu bändigen, ebenso scheiterte wie vor ihm schon David Bowie und der Rest der Welt) verblüfft, sondern bei Gelegenheit auch den Autor dieser Zeilen. MOJO-Redakteur Paul Trynka erzählt dieses unendliche Leben zwischen allen Abgründen mit einer Begeisterung, die manchmal so überschäumt, dass man ihm ein kaltes Tuch in den Nacken legen möchte (zumal angesichts der nicht sehr stilsicheren Übersetzung), aber auch mit großem Gespür für wichtige Details, mit glühendem Rechercheeifer und viel annäherungsweise kongenialem (Aber-)Witz. Garniert ist das Buch mit teils bekannten, teils selten oder nie gesehenen und meist frappierenden Fotos, und wer wissen und erfahren möchte, was es heißt, den Rock’n’Roll zu leben, der wird kaum daran vorbeikommen. Für Moralapostel und Mäßigungsbefürworter jeder Coleur indes mag es weniger als Stärkungsmittel und warnendes Beispiel dienen denn als ausgestreckter Mittelfinger: Sehr ihr, es geht doch, und man kommt besser raus, als ihr überhaupt reingekommen wärt.