Ike & Tina Turner – River Deep – Mountain High

Ironie der Pop-Geschichte: Eines der richtungsweisendsten Soul-Duos aller Zeiten hatte seinen größten Hit nicht in den Staaten, sondern in England. Dort schlug Phil Spectors Geniestreich ein wie eine Bombe; das Land des Beats hatte seine amerikanische Soul Invasion, während die Amerikaner zu dieser Zeit lieber den britischen Größen huldigten. Erst als sie die Stones Ende ’69 auf ihrer US-Tournee als Support Act begleiteten, erregten die Turners auch in ihrer Heimat die längst überfällige Aufmerksamkeit.

Ike war in Insiderkreisen schon Anfang der 50er als Talentsucher für diverse „Race-Labels“ bekannt, bevor er sich mit den Kings Of Rhythm, später dann auch mit Ehefrau Tina selbst ins Rampenlicht wagte. Bereits 1961 hatte ihre „Soul-Revue“ mit „It’s Gonna Work Out Fine“ einen bescheidenen Hit, einen Titel, der – durch Produzent Phil Spector aufpoliert – auch auf dieser LP zu hören ist.

Neben Spector wirkte Jack Nitzsche bei der gesamten Produktion als Arrangeur mit; bei diesem Gespann war das Resultat fast zwangsläufig eine Anhäufung unsterblicher Soul-Klassiker.

Tina singt mit einer Inbrunst, daß einem die sprichwörtlichen Schauer über den Rücken laufen; Spectors berühmter „wall of sound“ tut ein übriges, dem bis dato überwiegend genormten Soul-Sound neue Dimensionen zu eröffnen.

Natürlich vermittelt das Titelstück „River Deep – Mountain High“ diesen Eindruck am nachhaltigsten: Die Eindringlichkeit der Liebe als Naturgewalt dargestellt, eingebettet in einen Sound des Jüngsten Gerichts mit Massen von Streichern und Bläsern, davor glasklar ein swingendes Fingerschnippen und Tinas gewaltige Stimme, die sich zu einem fast schon hysterischen Crescendo steigert.

Sicher: Auch später gab es noch diverse Highlights wie „Nutbush City Limits“ oder das auf Vinyl verewigte phänomenale Pariser Konzert, auch Tinas letztes Solo-Album gehört dazu; dennoch bleibt „River Deep“ eines der aufregendsten Dokumente des klassischen Soul.