Album der Woche

Jassin

ARSENALPLATZ

Columbia/Sony (VÖ: 28.11.)

Weicher Rap für die Gen Z mit Backen voller Wattebäusche.

Es ist jetzt eine Weile her, da versprach ein gewisser Bushido in seinem Hit „Sonnenbank Flavour“ dem geneigten Publikum: „Ich fick‘ deine Freunde.“ Zwei Jahrzehnte später gesteht Jassin in seinem Song „Sonnenbankflavour“, dass er zwar im Supermarkt Getränke klaut, aber im Auto seiner Freundin, die gerade Führerschein gemacht hat, nicht mal rauchen darf.

Ne, solche Warmduscher gab’s früher nicht im deutschen Rap. Typen, auf die schon im ersten Song auf ihrem ersten Album die Mutter mit offenen Armen wartet, der Vater sich „seinen letzten Rest der Lunge“ wegraucht, und der traurige Held sich solche Fragen stellt: „Wie kann es sein, dass ich mit 20 schon ans Sterben denk?“ Jassin Awadallah aus Lutherstadt Wittenberg gibt als Einflüsse Haftbefehl ebenso an wie Franz Kafka. Man muss ihm jetzt (noch) nicht dieselbe poetische Kraft wie diesen beiden Giganten der deutschen Sprache unterstellen, aber tatsächlich gelingt es Jassin, eine ganze eigene Nische zu schaffen zwischen Straßenslang und Tagebucheintrag, zwischen Authentizität und Imagination.

Ist das noch HipHop oder schon Reinhard Mey?

Auf seinem Debüt ARSENALPLATZ, dessen Titel sich nicht zufällig auf den zentralen Ort der Wittenberger Altstadt bezieht, taucht er ein in sein Aufwachsen als Sohn eines ägyptischen Vaters in Sachsen-Anhalt („Dazwischen“), erzählt von seinen Selbstzweifeln und der deswegen nötigen Therapie („Arsenalplatz“) oder fliegt auf einem sehr ostdeutschen Moped durch eine Sommerliebe („Simson S51“). Man weiß nicht recht: Ist das schon weise oder jugendlich naiv, ist das noch HipHop oder schon Reinhard Mey?

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Denn auch wenn der Kitsch manchmal etwas nah ist, wenn Jassin auch manchmal rappt, als hätte er die Backen voller Wattebäusche, wenn die Melancholie bisweilen zur Pose gerinnt, erzählt da doch jemand mit genauer Sprache und Blick aufs Detail sehr universell von intimen Gefühlen. Ist das also Weicheier Rap für die Gen Z oder zeitgemäße Poesie? Wahrscheinlich beides.

Diese Review erscheint im Musikexpress 1/2026.