Jazz

Wenn diesmal schon keine absolut aufregende Neuerscheinung dabei ist, so fehlt es wenigstens nicht an Platten, die ungemein angenehm zu hören sind. Der schwarze Pianist George Cables mag sich nicht mit der Rolle des bewährten Sideman bescheiden und hat sein eigenes Trio produziert. Ob er nun Eigenes oder Standards spielt — immer kommt zum Swing ein nospel-nahes Soul-Feeling hinzu, das PHANTOM OF THE CITY (Contemporary) bei den Fans schwarzer Musik einen Ehrenplatz sichern dürfte. Am Schlagzeug sitzt übrigens kein geringerer als Tony Williams. (4)

Erfreuliches auch von der Ostküste: Francois Zalacain ist Coproduzent der Musiker, die auf seinem Label Sunnyside erscheinen. Da wäre zunächst Ex-Messenger James Williams. Der Pianist ist souverän genug, auch Kompositionen seines Nachfolgers in der Art-Blakey-Truppe zu verwenden. Seine beiden Blaser spielen auf ALTER EGO Sätze, die manche Bigband erbleichen lassen sollten. Ein offenes rhythmisches Konzept (Latin bis Hardbop und 6/8) trägt bei zur Vielseitigkeit dieser lockeren Lektion in Sachen Modem-Jazz. (4)

Rufus Reid, einer der „Hausbasisten“ des Labels, hat mit Jim McNeely am Klavier und der Schlagzeuerin Terry Lyne Carrinton SEVEN ivlINDS aufgenommen. Auch dies eine abwechslungsreiche Unternehmung zwischen Latin und Swing, ohne Endlos-Chorusse über ausgelaugten Harmoniefolgen. (Knapp: 4)

Rufus war mit dabei, als die Sängerin Roslyn Burroughs LOVE IS HERE aufnahm. Mal klingt die stimmgewaltige Lady schlicht überwältigend, mal nervt der Musical Touch ihrer unüberhörbar klassisch geschulten Stimme. Trotzdem eine Frau, mit der nicht umsonst Leute wie Kevin Eubanks und Kirk Lightsey ins Studio marschierten.(4)

Und noch eine Sängerin hat Sunnyside anzubieten: Meredith D’Ambrosio zählt zu den Damen mit den vor Lebenserfahrung triefenden Balladen und entsprechender Stimme — ich denke da an Ann Burton. Helen Merrill. Irene Kral oder Karin Krog. Und wer deren sehr „erwachsenen“ Gesang schätzt, dem wird ITS YOUR DANCE für die Stunden um Mitternacht lieb und teuer werden.(4)

Wenn Jane Ira Bloom Sopran-Saxophon spielt, dann klingt das nicht nasal quäkend. Ihre kühl dahinfließenden Linien ergänzen sich mit der eher introvertierten Spielweise des Pianisten Fred Hersch. mit dem sie sich auch das Schreiben für ihr Duo-Album AS ONE (JMT) teilte. Einverständnis also, gezügelte Leidenschaft, aber auch freie Passagen, aggressive Ausbrüche. Bills Evans und Wayne Shorter könnten Pate gestanden haben. (4)

Keine Jazzsparte ohne Ray Anderson? Der nimmermüde Posaunist ist auf YOU BE (minor) mit seinem Trio (Mark Helias, Gerry Hemmingway) zu hören. Und ich kann’s nur noch einmal wiederholen: Wo Anderson ein weites Feld zwischen grunimelndem New Orleans und avantgardistischem New York immer neu absteckt, bietet Albert M. solide Hausmannskost. Drum ein (knapp) vierfaches Hoch auf Ray! (4)

Ein fünffaches auf Keith Jarrett. der seine“.Standards“-Serie um eine LIVE-Platte (ECM) erweitert hat. Mit Peacock und Dejohnette natürlich. Klar, daß hier sein ekstatisches Mitgestöhne nicht ganz in den Hintergrund gemischt wurde. Man kann das Unternehmen ebenso preisen, wie sich die drei Herrschaften musikalisch verstehen. Wo manche Improvisatoren sich durch die Changes der Evergreens bewegen wie ein nervöser Frosch im Weckglas voller Tonleitern (und andere nur erprobte Phrasen aus dem angehörten Repertoire ziehen), tummelt sich Jarrett wie ein Fischlein im Wasser. (5)

Nachdem ich eindringlich vor Shankars geschmacklichem Blindgänger unter dem treffenden Titel THE EPIDEMICS (ECM) gewarnt habe (verdienstvoller Violinexperte killt den guten Eindruck seines vorletzten Albums mit Garbarek. indem er seine Frau Ödheiten singen läßt, die als Rock verstanden werden wollen), nachdem ich auch über den aufdringlich beteiligten Heavy-Metal-Gitarristen Steve Vai hergezogen habe, bleibt noch Platz für Positives aus dem Reich der sechs bis zwölf Saiten: Ralf Towner und Garv Burton tun auf SLIDE SHOW, was zu erwarten war auch John Scofield und Bill Frisell, deren LP merkwürdig genug BASS DESIRE heißt und prompt unter dem Namen des Bass-Mannes Marc Johnson zu finden ist. Hier angefulkte Ruhe, dort Geflirre, Geschwebe und einige klar identifizierbare Scofield-Linien mittenmang. (Beide ECM, 3).