John Coltrane – Interplay

Revolutionen können mit nur einem großen Paukenschlag und direkt durch die Vordertür losgetreten werden. Oder sie entwickeln sich langsam, bisweilen vorsichtig im Hinterzimmer. Im Fall des allzu kurzen, weil heftigen Künstlerlebens von John Coltrane lief einerseits alles auf das 1964 eingespielte Album A love surpreme hinaus. Doch diesen Heiligen Gral der neueren Jazz-Zeitrechnung kann man eigentlich erst richtig einsortieren, wenn man John Coltranes bis dahin zurückgelegten Weg noch einmal aufmerksam abgeht. Zwei CD-Boxen bieten dafür jetzt ausreichend Proviant. Das Fünf-CD-Set interplay 4 widmet sich den sieben Alben, die Coltrane zwischen 1956 und 1958 für das Prestige-Label aufgenommen hat. In der ebenfalls fünfteiligen Retrospektive The Impulse albums vol. one 4,5 stecken die ersten fünf Veröffentlichungen, die der Saxofonist ab 1961 exklusivfür Impulse herausgebracht hatte. Aber trotz der scheinbar unterschiedlichen Magnetfelder und stilistischen Ausrichtungen bilden diese beiden Schwergewichte mehr als nur die Summe ihrer Einzelteile. Schließlich ist hier wie da Coltranes untrügliches Gespür für die Schnittstellen zwischen Tradition und Innovation die verbindende Nabelschnur. Die nach seinem Ausstieg aus dem legendären Miles Davis Quintett entstandenen Prestige-Aufnahmen kokettieren zwar noch erstaunlich heftig mit den fluoreszierenden Farben und den lässig geordneten Rhythmen des Cool Jazz (tenor enclave). Und wohl nirgends ist man Charlie Parkers galanten wie exzessiven Bop-Modulationen näher als auf dem Album Dakar. Aber John Coltrane war da jedoch nie Epigone, sondern hatte als Primus inter pares mit solchen Edelsidemen wie Hank Mobley, Kenny Burrell und Mal Waldron längst die Zukunft des Jazz im Blick. Mit einem berührend intensiven, sich ins hymnisch-bluesige steigernden Ton-der auch dann allgegenwärtig war, wenn er nicht zu hören war. Genau diese Aura John Coltranes, in der immer eine riesige Portion Sehnsucht mitschwang, sollte dann verschärfte Konturen annehmen. Bei der forcierten Gangart auf dem Impulse-Klassiker Live at the Village Vanguard von 1961. Und auf dem einfach Coltrane betitelten Debüt mit seinem Quartett mit McCoy Tyner, Jimmy Garrison und Elvin Jones steigert sich gleich das mit Afro-Rhythmen durchzogene „Out Of This World“ in eine grandios magisch überspannte, aber doch so vertraut erscheinende musikalische Predigt. Und genau an diese sollte sich der Über-Saxofonist später auf A love supreme erinnern. Bei John Coltrane war eben alles in einem Fluss.

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