Johny Cash-The Beast In Me von Franz Dobler :: Biografieerzählung
Als ich elf war, kam Johnny Cash im Fernsehen, ich glaube in Ilja Richters „Disco“. Es war die Endphase des Glamrock, und gegen Alice Cooper, Bowie, Roxy und die New York Dolls sah Cash aus wie die personifizierte amerikanische Kleinstadt-Biederkeit. Er hatte eine Frau dabei; zusammen sangen sie ein paar freundliche, harmonische Lieder. Ich ahnte nicht im Traum, was für ein Abgrund an Dunkelheit, Qual, Schmerz, Verbrechen, Leiden und Angst sich unter der Lackschicht aus Spießigkeit verbarg. Bis heute mag ich Country-Musik nicht hören, aber seit ich Franz Doblers Cash-Biografie gelesen habe, verstehe ich, warum so viele andere, nicht bloß Vorstadt-Stetson-Spießer und dickwanstige Tankstellenbewohner, sie hören wollen. Dobler, geboren im Jahr 1959, als mit Buddy Holly angeblich auch „the music“ starb und andererseits Johnny Cashs drittes, viertes und fünftes Album erschien, ist kein Neuling auf dem Gebiet: Der ehemalige Polizeireporter hat sich seit seinem Buch „Jesse James und andere Westerngedichte“ immer wieder zu Cash und Verwandtem geäußert und auch die erste Folge der von ihm herausgegebenen CD-Reihe mit „Perlen deutschsprachiger Popmusik“ nach dem deutschen Titel von „Five Feet High And Rising“ benannt: „Wo Ist Zuhause, Mama“ übrigens ebenfalls von 1959. Zuhause beginnt diese ungewöhnliche Geschichte, im Arkansas der 30er Jahre, der Zeit des „New Deal“, in der Cash seine Kindheit als Baumwollpflücker verbrachte. Aber für Dobler ist die Chronologie bloß einer in einem losen Netz von Fäden, denen er intuitiv folgt – mal nach vorne, mal zur Seite, mal schräg nach unten. Sein Buch ist eine Art Bastard aus Erzählung und Biografie, wie man ihn inmitten der Hekatomben öder Musikschwarten selten entdeckt. „Wer schon einiges über Cash gelesen hat, wird hier bestenfalls ein paar neue Zusammenhänge oder Interpretationen finden können“, schreibt er im Vorwort. Bestenfalls? Ich meine: Was Dobler da gemacht hat, diesen Berg von Bildern und Geschichten, den nennt man Literatur; dies ist beileibe nicht das erste Cash-Buch – aber es ist eines der besten.
www.kunstmann.de
Mehr News und Stories