Karl Valentin – Gesamtausgabe Ton 1928-1947 :: Du bleibst da, und zwar sofort!
Wenn man der Situationisten-Weisheit folgt, dass alle Revolutionen in die Geschichte eingehen, ohne dass deren Bauch dicker wird, dann haben wir bereits wieder ein Paradoxon, vulgo einen Schmarrn. Denn die Karl Valentin „Gesamtausgaben“, die ich seit meiner Schulzeit unregelmäßig heimtrage, werden jedesmal dicker oder im Zeitalter der Laserlesbarkeit innenrum umfangreicher. Vielleicht ist mit dem Heimtragen jetzt Schluss, mit dem Schmarrn nicht, denn es dauert selbst am Stück viele Stunden, bis man sich durch alle acht CDs der Gesamtausgabe Ton 1928-1947 hindurchgefreut hat; danach muss man von vorne anfangen und kann während der Passagen, die man auswendig kennt, im Büchlein blättern, schöne (leider undatierte/unkommentierte) Bilder betrachten und Beiträge lesen, die echte und selbst ernannte geistige Erben des echtesten aller Münchner verfasst haben „speziell für dieses (sie!) Publikation“, wie wir auf der ersten Seite erfahren (ehe uns Hippokrates via Achternbusch mitteilt, lang sei die Kunst, das Leben aber „kuz“) und uns da schon denken: Dem Hörbaren war wenig Sinnvolles hinzuzufügen, zumal in dem verordneten Reformschreib, das aus dem Delphin einen „Delfin“ macht und in seiner Kombination von Willkürwirrnis und Regulierungswahn für Karl Valentins Hirn-Hand-Mund-Mechanismus ein gefundenes Fressen gewesen wäre. Abgesehen davon hilft alle Valentinologie und Valentineskerei gar nichts, weil man um das Original nicht herumkommt, auch wenn es noch so eckig ist, an den Sprachsinnkanten fröhlich bröselt und grundsätzlich dahin strebt, nichts mehr reden zu müssen, um mehr zu sagen „Hast des g’hört jetzt, wie ich nix g’redt hob?“ bzw. multimediale Sinnesverknüpfungen zu generieren „Horch, was riecht denn da so?“ Der Kopf ist rund, damit das Denken beim Saudummdaherreden und Nochsaudümmernachfragen spiralförmig woanders wieder herauskommen kann, als es hineingegangen ist. Am Ende der Gesamtausgabe Ton steht auch der Gewohnheits-Valentinist überwältigt im Zimmer, fragt sich wieder einmal, wieso man sich in dieser antiken, vom Herausreißen aus ihrer Zeit merkwürdigerweise kaum angekratzten Stimme so furchtbar daheim fühlt und öfter weinen als lachen hat müssen. Man staunt, wieviel Genie-Blödsinn in ein so „kuzes“ Leben hineingegangen ist und wie es geschehen konnte, dass dermaßen viel genialer Blödsinn heutzutage in das Volumen von nicht ganz eineinhalb Maß Bier hineingeht. 5 (Ton) 3 (Kommentar) www.tnkont.de
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