Led Zeppelin :: BBC Sessions
Abgehoben
Led Zeppelins Jimmy Page hat in der Vergangenheit oft und gern geäußert, die Archive seien mit den – spärlichen – Outtakes der REMASTERS-Box völlig geleert. Das jedoch entpuppte sich angesichts der zahlreich im Umlauf befindlichen Konzert- und Studio-Bootlegs von Led Zeppelin – in zum Teil hervorragender Soundqualität – als sträfliche Unwahrheit. Auch die insgesamt 24 Tracks des 2-CD-Sets BBC SESSIONS gehen bereits seit etlichen Jahren auf dem schier unüberschaubaren Schwarzmarkt weg wie warme Semmeln. Was das Zep-Oberhaupt Page nun dazu bewog, nach den beiden Box-Sets erneut bei Songauswahl und Remastering persönlich Hand anzulegen, läßt sich allerdings nur vermuten. Vielleicht waren ja nostalgische Gefühle im Spiel – oder doch eher der Wunsch, den Bootleggern das Handwerk zu legen. Vielleicht aber hat auch schlicht und ergreifend der schnöde Mammon gelockt. Letztlich sind derlei Spekulationen obsolet. Was nämlich zählt, sind 153 Minuten legendäre Alternativfassungen von Songs, die der Fan aus den vier ersten Studioalben Led Zeppelins kennt. Eingespielt wurden die Pretiosen bei insgesamt sechs BBC Sessions zwischen 1969 und 1971, einer Zeit, in der die noch nicht erfolgsverwöhnten Briten auf dem Sprung in den Rockolymp frisch, unverbraucht und erdverbunden klangen. Das Material der BBC SESSIONS stammt hauptsächlich aus diversen populären 69er Radio-Shows (u.a. John Peels Top Gear“,“Rhythm And Blues“, „Chris Crant’s Tasty Pop Sundae“). Zehn Songs von Silberling 1 wurden live mitgeschnitten und teilweise im Studio mit Overdubs versehen. Die restlichen vier schwelgerischen Zwölftakter haben die damals frischgebackenen Undergroundhelden im Playhouse Theatre vor geladenen Fans eingespielt. Auf der zweiten CD jedoch findet sich ein (nahezu) kompletter, vor Publikum druckvoll aufgezeichneter, wenn auch nicht immer spieltechnisch einwandfreier Live-Set. Die zehn Titel wurden 1971 im Londoner Paris Cinema Theater im Rahmen der damals gerade gestarteten „In Concert“-Reihe mitgeschnitten. Klar, daß es bei einer so geballten Song-Kollektion zu Überschneidungen kommen muß: Das ursprünglich nur auf dem Kontinent und in den USA als Single aus dem ersten Album ausgekoppelte „Communication Breakdown“ ist gleich dreimal auf Disc 1 zu hören. Jeweils in zwei unterschiedlich langen, intensiven Versionen gibt’s die stark blueslastigen Themen „You Shook Me“ und „I Can’t Quit You Baby“. Ebenfalls zweimal in recht unterschiedlichen Takes vorhanden sind die beiden frühen Live-Klassiker“Whole Lotta Love“ und „Dazed And Confused“. Doch das stört nicht im geringsten. Im Gegenteil, denn der direkte Vergleich des Work-in-Progess-Formats bestätigt den in jener Zeit noch völlig einwandfrei funktionierenden kreativen Gruppenprozeß Led Zeppelins. Damit beeindrucken in diejungen Luftschiffer im dreiteiligen Semi-Acoustik-Set („Stairway To Heaven“, „Going To California“, „That’s The Way“) aus dem Paris Theater, wo Enthusiasmus, Technik und Gefühl perfekt Hand in Hand gehen. Gleiches gilt für den von Robert Johnson adaptierten „Travellin‘ Riverside Blues“ mit Pages authentisch integrierten Slidegitarrenschüben. Erstaunlich rauh und ungehobelt klingen hingegen zwei bislang unveröffentlichte Stücke: das von Ur-Blueser Sleepy John Estes abgekupferte „The Girl I Love, She Got Long Black Wavy Hair“ (eigentlich als Take für LED ZEPPELIN II angedacht, dann aber wieder verworfen), sowie die von John Paul Jones‘ hämmernden Boogie-Piano dominierte Fassung von Eddie Cochrans „Something Else“ – selbst Sex Pistole Sid Vicious käme dabei wohl aus dem Punk-Takt. Bleibt die Frage, warum zehn andere Aufzeichnungen weiterhin unangetastet in den Regalen der staatlichen britischen Rundfunkanstalt vor sich hinstauben – da wäre zum Beispiel der äußerst rare Bluesharmonica-Meets-Barrelhousepiano-Rock „Sunshine Woman“, oder die schon auf der REMASTERS-Box ausgewertete, fernöstlich inspirierte, neunminütige Flower-Power-Reminiszenz „White Summer/Black Mountain Side“. Neben diesem Überbleibsel aus Yardbirds-Zeiten hätten auch diverse Bandinterviews ein besonderes Licht auf die Ära werfen können. Gegen einen kompletten Rundumschlag in Form einer 3-CD-Box zum 30. Bandjubiläum im nächsten Jahr hätte doch sicherlich niemand etwas einzuwenden gehabt. Oder?
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