Madonna – American Life :: Sing an einem anderen Tag

Mensch, Madonna. Zwei Stücke machst du uns vor, dass American Life das großartigste Stück Musik der Welt werden könnte. Ein Album, das das musikalische Koordinatensystem ins Wanken bringen könnte, das vielleicht alles nivelliert, was vorher war und nachher kommen wird. So groß sind „American Life“ und „Hollywood“. Ersteres würde eine eigene Kritik verdienen in seiner Weirdness, mit seinen fiepsigen Synthies, seinem Daft-Punk-auf-die-Spitze-treiben, dem Gerappe, das du von Missy Elliott gelernt hast, diesem rhythmisch eingesetzten „Fuck it“, dieser Struktur, die deine Plattenbosse vielleicht gemeint hatten, als sie davon sprachen, dein neues Album sei zu „avantgardistisch“. Und „Hollywood“. Dieses kleine Epos, bei dem die Madonna der achtziger Jahre mit der Postmoderne kämpft. „Nobody Knows Me“ geht auch okay, es klingt wie der Kid 606-Remix eines Depeche Mode-Songs. Aber dann, aber dann. Mindestens fünf Mal wärmt Madonna, oder besser, Co-Produzent Mirwais Ahmadzai, das „Don’t Tell Me“-Schema des Music-Albums auf: Fingergepickte Akustikgitarre, Break, mehr oder weniger fieser Elektronik-Effekt, Akustikgitarre, Break usw. usf. Und dann die Reime: guyshy-fly-sky, kind-mind-find, Bi-Ba-Butzemann. Und die Texte. Madonna macht Yoga, Madonna sieht nicht fern, Madonna ist glücklich, Madonna hat Familie, Madonna macht dies, Madonna macht das – I, Me, Mine. Keine Spur von Abstraktionsvermögen. Befindlichkeiten eines gelangweilten Popstars, nichts, was mir etwas über mein Leben sagen würde. Madonna hat anscheinend ihre Souveränität verloren oder aber eine neue Stufe der Selbstinszenierung gezündet: Der Popstar als Familienmensch. Wie provokant ist das denn? Für erstere These spricht ihre Selbstzensur beim Video zu „American Life“, das zurückgenommenene Anti-Kriegs-Statement und die Wahl ihres Co-Produzenten. Wer zwei Mal denselben nimmt, katapultiert sich ins popkulturelle Abseits. Das Denkmal wankt. Wir warten auf die Remixe.

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