Marc Ribot – Spiritual Unity

Wo und wann Marc Ribot ihn wohl aufgespürt haben mag. Denn Henry Grimes war immerhin drei Jahrzehnte lang wie vom Erdboden verschwunden. Dieser Kult-Bassist aus den heißen Zeiten des improvisierten Jazz, in denen er sein Instrument zu einem tollwütigen und wollüstigen Sparringspartnervon Sonny Rollins und besonders von Albert Ayler machte. Daß der wohl zurzeit neugierigste Avantgarde-Gitarrist Marc Ribot eben diesen Henry Grimes gleich zu mehreren Konzerten und schließlich zu einigen Studioaufnahmen überreden konnte, hat einen einfachen Grund: Marc Ribot, der ja von Elvis Costello bis hin zu John Zorn keine Beißhemmung kennt, ist seit Jahren den flammenden Black-Music-Manifesten des Saxophonisten Albert Ayler verfallen. Und so widmet sich der Gitarrist nun mit Grimes und den beiden sensationell aufgelegten Musikern Roy Campbell (Trompete) und Chad Taylor (Drums) gleich fünf Albert-Ayler-Klassikern, von „Spirits“ bis „Beils“. Auf dem nach dem 1964 veröffentlichten Ayler-Album benannten Mix Spiritual Unity mit Live- und Studio-Mitschnitten kommt es zu jener Alehemie aus Traditionsverbundenheit und aufbegehrendem Energiefluß, aus New-Orleans-Nähe und abstrakt-tumultöser Ferne, bei der sich eine ungeheure Emotionalität entlädt. Marc Ribot schneidet mit seinem Spiel scharfkantige Schneisen, Campbell schlägt einen Bogen vom archaischen Blues hin zur harmonischen Ungebundenheit, die von Chad Taylor aufreizend kommentiert wird. Und als ob Henry Grimes nie weggewesen wäre, wird sein Baß mal zum Fels in der Brandung, mal wie in „Spirits“ zu einem Dampfkessel. Albert Ayler wäre stolz auf diese Hommage.

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