Marianne Faithful :: Dangerous Acquaintances
Ein zweites BROKEN ENGLISH ist das neue Album von Marianne Faithful leider nicht geworden. DANGEROUS ACQUAINTANCES erinnert eher an eine zwiespältige Fahrt auf der Achterbahn. Woran es liegt, ist schwer zu sagen, die Begleitmusiker sind fast die gleichen geblieben, auch Steve Winwood und Pete York sind wieder dabei, ebenso Produzent Mark Miller Mundy. Aber offensichtlich haben alle ihre Vorliebe für Herp Alpert und Viva Mexico! entdeckt. Die Begleitung rutscht bisweilen derart in den Schnulzensound rein, daß man völlig vergißt, wer da eigentlich singt.
Natürlich konnten wir in den Texten keine weitere, schonungslose Nabelschau erwarten, aber daß die ganze Dichte und Intensität einfach weg ist, gibt zu denken. Wie schon der Titel verrät, geht es um gefährliche Bekanntschaften, Liebesbeziehungen, zwischenmenschliche Tragödien. Marianne hat aber einen mehr introvertierten und zugleich allgemeineren Standpunkt eingenommen und irgendjemand hat ihr eingeredet, daß sie richtig melodiös singen müßte. Und immer dann ist die Erotik der brüchigen Stimme zum Teufel. „Sweetheart“ ist ein schöner, runder Reggae über Emanzipation, aber schon mit „Intrigue“ folgt die erste Edel-Schnulze mit Show-Orchester-Kitsch. Nach dem belanglosen „Easy In The City“ folgt dann mit „Strange One“ endlich eine Nummer, die alle Qualitäten von BROKEN ENGLISH besitzt. Einen klaren Text, sensible, transparente Begleitung. „Tenderness“ pendelt zwischen Dekadenz und Schnulze, wird aber ausnahmsweise mal durch die Musik gerettet. Seite zwei beginnt dann mit einem typischen Steve-Winwood-Stück, „For Beauties Sake“, das aber zu große Anforderungen an Mariannes Stimme stellt. „So Sad“ hingegen bleibt die einzige Ballade, die ohne Schmalz auskommt und jene kindlich-naive Stimmung verbreitet, die man von Marianne erwartet. „Eye Communication“ dagegen verschenkt eine Chance, indem guter Text irgendwo im Klatschrhythmus verlorengeht. Der schlimmste Ausrutscher aber passierte in meinen Augen beim Schiußstück „Truth Bitter Truth“. Marianne Faithful ist keine Liedermacherin, und diese Singalong-Arie war‘ vielleicht was für Ellen Foley.
Gefährliche Bekanntschaften: Vielleicht hat sich Marianne von den falschen Leuten beraten lassen, vielleicht befindet sie sich aber schon wieder in einer Identitätskrise – wie soll man sich sonst dieses Auf und Ab erklären. Für die wirklich guten Songs und Text eine 4.
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