Marillion – Radiation

Helikopter kreisen über der abgeriegelten ME/S-Zentrale,die Redakteure sind kurzfristig unter Quarantäne gestellt. Ein Spezialist im Schutzanzug und mit immunisierender Affinität für Progrock packt sie schließlich aus, die neue Marillion. Droht Gefahr? RADIATION ist das zehnte reguläre Album einer 20jährigen Bandgeschichte, die gute Tage gesehen hat – und schlechte Jahre, denn in den 90ern dümpelte das ehemalige Flagschiff des Prog in der Trendflaute. Marillion waren „Bäh, Finger weg“, keinem Song über drei Minuten durfte getraut werden logisch, daß selbst Meisterwerke wie BRAVE oder AFRAID OF SUNLIGHT ungehört verhallten. Nun aber könnten Marillion wieder Morgenluft schnuppern, sich an ihre Vergangenheit erinnern, nun, da effektvoll inszenierte Dramatik und tragende Melodien wieder ein Publikum finden – Radiohead und Kula Shaker sei’s gedankt. RADIATION ist denn auch rotziger produziert, Steve Rotherys satte Gitarre steht im Vordergrund, wo sie Mark Kellys gniedelndes Keyboard ein wenig verdrängt hat, dahinter arbeitet die Rhythmusgruppe um Mosley und Trewavas weiterhin wie ein Uhrwerk. Darüber schließlich dröhnt Steve Hogarths Van Halenesque Röhre, ein steter Streitpunkt seit dem Ausstieg von Fish. Zwar geben sich Marillion alle Mühe, dem alten Kahn eine modernere, ehrlichere, rockigere Richtung zu geben, können dabei aber ihre wachsende Orientierungslosigkeit nicht verbergen. Zwiespältigkeit allenthalben: „Three Minute Boy“ ist genial, „These Chains“ ein lebloser Rumpf. Ein ungefährliches Album, leider.