Marvin Gaye :: Midnight Love

40 Jahre und kein bißchen weiser! Mein Gott, Marvin Gaye konnte es sich nun wirklich leisten, solide und sichere Platten zu machen ein großer Name, eine goldene Stimme, ein grandioser Backkatalog – und dennoch verlaßt er sich auf nichts von alledem. MIDNIGHT LOVE ist ein Album voller Unrast und Unstetiqkeit, kein Wiederauflaufen zu (alter) Hocliiorm und schon gar kein Comeback, denn dazu waren Gayes jüngste Platten, vor allem sein letzter schmählich ignorierter – Motown-Set, IN OUR LIFETIME, viel zu souverän.

Ich weiß nicht warum, aber Soul-Brothers wie er, Al Green, Johnrue Taylor, Levi Stubbs oder Bobby Womack werden sogar nach 20 Jahren immer zuverlässiger, ihre Stimmen klingen wie geölt, derb, kräftig und brennend, dazu ein Maximum an Lebenserfahrung im Her/ und in der Kehle (irgendwie ist das wie beim Wein, je alter, desto besser!).

Erwarte hier keiner einen Marvin Gaye in der Rolle, in die man ihn in den Frühsiebzigern nach WHAT’S GOING ON gedrängt hat den nachdenklichen, bestürzten und scharfsinnigen Poeten – MIDNIGHT LOVE ist absolut persönlich, zeigt nicht einmal das Gesicht des Predigers Gaye. Jedenfalls nicht bis zur letzten Nummer, „My Love Is Waiting“, wo er sich der Reihe nach bei seiner neuen Plattenfirma, seinen Musikern und dann bei Gott bedankt, bevor er quasi aus dem Nichts und a capella einen Groove aufbaut, der ganz einfach alles und jeden in seiner Gewali hat.

Der Beat ist meist elektronisch, ein klickender, knatternder Computer-Beat, und natürlich bleibt seine Summe dazu in einer Klasse für sich schleichend, schmachtend, gleitend, und Gaye immer eindeutig auf das Wesentliche fixiert: „… baby, I can ‚t hold it much langer/it’s getting stronger and stronger/ and when I get that feelin’/I want sexual healing…“ Wenn ich mir überlege, wer heute alles vorgibt, soul-ful zu sein und diese Leute mit den wahren Professionals wie Marvin Gaye vergleiche, dann habe ich das Gefühl, daß hier mächtig Etiketten-Schwindel betrieben wird. Uh-huh, baby…!!!