Matthias Arfmann

Ballet Jeunesse

Decca/Universal

Der Hamburger Produzent hat Klassiker der Ballettmusik neu aufgenommen, mit dem Erfahrungsschatz von Dub, Techno und Beatkultur.

„Schwanensee“ und „Nussknacker“ auf neu? Strawinsky und Prokofjew in den „Streaming-Playlisten der digital natives“ (wie im Pressetext etwas unglücklich fantasiert wird)? Wer sich einer solchen Platte mit dem Hochmut der Hochkultur oder dem Zynismus der Zeit nähert, braucht sie sich gar nicht erst anzuhören: Wie sollte sie gewinnen? Wer aber die Vita von Matthias Arfmann kennt und sie versteht, der weiß, dass es dem Hamburger Musiker und Produzenten um mehr geht als um das Verzeitgeistigen einiger sehr populärer Melodien. Arfmann war immer ein Weltenwandler – Kastrierte Philosophen, Absolute Beginner, Turtle Bay Country Club – und er war dabei stets auf einer sehr ehrlichen Suche nach Schönheit. Das gilt auch für BALLET JEUNESSE.

Den Originalkompositionen nähert er sich voll Bewunderung, aber nicht ehrfürchtig an. Er sieht diese Musik vor allem als Ausdruck (und Quelle) von Emotion – als Tanzmusik eben, die zudem eine Geschichte zu erzählen vermag. Wenn er mit BALLET JEUNESSE also die dem Deutschen ewig heilige Grenze zwischen E und U überschreitet, ist das in diesem Sinne reiner Zufall. Musik ist Musik ist Klang ist Gefühl – und diese Platte kein kalkulierter Mash-up, sondern Arfmanns persönliche Interpretation eines klassischen Kanons, mit dem Mischpult als weiterem Ensemblemitglied.

Manchmal geht er dabei sehr behutsam vor, etwa wenn er den berühmten Marsch der Zinnsoldaten lediglich auf eine warme Bassline bettet und mit dezenten Frauengesängen an die (längst verblichene) Aufbruchsstimmung des Arabischen Frühlings koppelt: „Al-Arabiyya, shalom“. Andere Eingriffe sind rabiater: „Der Säbeltanz“ wird als „Sabre Dance (Rework)“ zu kraftstrotzendem Trip­Hop, „Schwanensee“ als „Swan Lake (Rework)“ zu schrägem Digi-Dub.

Zum Ende der Platte schließlich schlüpfen Rap-Urgestein KRS-One und die deutsch-kenianische Sängerin Onejiru in die Rollen von Romeo und Julia, schlagen dabei die Brücke vom Verona des 16. Jahrhunderts in die Bronx der Siebzigerjahre und von dort in die Ewigkeit: Ist eh immer die gleiche Leier, also lasst uns bloß nicht aufhören, dagegen anzutanzen … In weiteren Rollen: Schorsch Kamerun, Jan Delay und Kele Okereke von Bloc Party.