Miles Davis :: The Cellar Sessions 1970

Electric Jazz: Sensationeller Fund vom Voodoo-Groove-Trompeter Miles Davis.

Eigentlich könnte man denken, nach sechs opulenten Miles-Davis-Retrospektiven mit der Ende 2004 veröffentlichten Sieben-CD-Box SEVEN STEPS sollte erst mal Schluß sein mit den Ausgrabungen. Doch glücklicherweise sind Ankündigungen dazu da. um wieder verworfen zu werden. Und so kann man auf dem heimischen Davis-Altar Platz machen für eine wie üblich luxuriös aufgemachte Box, bei der selbst die Hardcore-Davis-Fans feuchte Hände bekommen werden. Schließlich war mit „What I Say“ nur ein einziges komplettes Stück sowie wenige Tonschnipsel von jenen viertägigen Sessions bekannt, die Davis mit seinem neuen Sextett im Washingtoner Jazz-Club „The Cellar Door“ abhielt. Vom 16. bis 19. Dezember 1970 und damit nur wenige Monate nach dem spektakulären Auftritt vor über einer halben Million Menschen beim Isle-GT-Wight-Festival. Kurz danach waren zwar Dave Holland und Chick Corea ausgestiegen. Aber Miles Davis hatte schon immerdas richtige Naschen für den Nachwuchs. Und so holte er den 19jährigen Bassisten Michael Henderson in die Band, der gleich kräftig zupackte in diesem magmaheißen Fusion-Sound aus Rock, Jazz, Funk und Blues. Sechs von den zehn Sessions liegen jetzt erstmals in voller Länge und ungeschnitten auf 6 CDs vor. Und auch wenn das musikalische Material neben einigen Improvisationen gerade mal aus sieben Stücken besteht (darunter „Sanctuary“ aus bitches BREWl. unterzieht sich Davis mit seinen Edetrecken Jack DeJohnette, Keith Jarretl. Gary Bartz und Airto Moreira einer ständigen Metamorphose. Mal geht er „Honky Tonk“ mit trommelfeuerartigen Stakkato-Stöfien an, mal heizt er es mit quäkenden Wah-Wah-Energien auf. In „Inamorata“ bricht das schwer rockig-pulsierende Gefüge endgültig auseinander, wenn Gitarrist John McLaughlin am letzten Abend einsteigt. Und mit welch beißendem Drive und wilden Rhythmus-Exzessen allein „What I Say“ in fünf verschiedene Richtungen hinausgeschleudert wird, ist atemberaubend. Das ist Black-Power-Music, wie sie nirgends im Buche steht, sondern wie sie nur unter Live-Bedingungen entstehen konnte. Damals sollen es laut Michael Henderson 200 Besucher pro Abend gewesen sein, die diese Jazz-Kernspaltungen miterlebt haben. 36 Jahre später beginnt nun ihre weiträumige Strahlung.

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